Leitsatz (amtlich)

Eine vormundschaftsgerichtliche Weisung einem Betreuer gegenüber, der Rechtsanwalt ist, keine anwaltlichen Dienstleistungen ohne konkrete Aussicht zu erbringen, die dabei anfallenden Rechtsanwaltsgebühren im Erfolgsfall beizutreiben, ist grundsätzlich rechtswidrig.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 27.11.2003; Aktenzeichen 5 T 229/03)

AG Ottweiler/Saar (Aktenzeichen 9-XVII 259/00)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des LG Saarbrücken vom 27.11.2003 – 5 T 229/03 – mit der Maßgabe abgeändert, dass die in Ziff. 4 des Beschlusses enthaltene Weisung entfällt.

 

Gründe

I. Mit Beschluss vom 29.3.2001 hat das AG Ottweiler für die Betroffene eine Betreuung mit den Aufgabenkreisen Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge und Behördenangelegenheiten angeordnet. Zur Betreuerin wurde Frau J. B. bestellt. Mit Beschluss vom 1.8.2001 ist – befristet – ein Einwilligungsvorbehalt für bestimmte Willenserklärungen im Aufgabenkreis Vermögens-sorge bestimmt worden.

Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 31.7.2002 hat die Betroffene beantragt, die Betreuerin abzuberufen und stattdessen ihren jetzigen Verfahrensbevollmächtigten als neuen Betreuer einzusetzen. Sie hat dazu vorgetragen, sie empfinde die Betreuung durch die bisherige Betreuerin als Bevormundung; wichtige Angelegenheiten würden nicht mit der Betroffenen besprochen, vielmehr werde sie kurzerhand vor vollendete Tatsachen gestellt.

Mit Beschluss vom 5.3.2003 hat das AG Ottweiler den Antrag der Betroffenen zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde hat das LG die bisherige Betreuerin entlassen und den Verfahrensbevollmächtigten der Betroffenen zum neuen Betreuer bestellt. Zugleich wurde dem neuen Betreuer die Weisung erteilte, außerhalb des vorliegenden Betreuungsverfahrens keine anwaltliche Tätigkeit für die Betroffene wahrzunehmen, wenn nicht eine konkrete Aussicht bestehe, dass zumindest die dabei anfallenden Rechtsanwaltsgebühren im Erfolgsfall auch tatsächlich beigetreten werden können.

Das LG hat hierzu ausgeführt: Gemäß § 1908 Abs. 3 BGB könne das Gericht den Betreuer entlassen, wenn der Betreute eine gleich geeignete Person, die zur Übernahme bereit sei, als neuen Betreuer vorschlage. Diese Voraussetzungen lägen vor. Denn bei der Ermessensausübung sei dem Wunsch der Betroffenen ein besonderes Gewicht beizumessen. Überdies bestünden zwischen der Betroffenen und ihrer bisherigen Betreuerin deutliche Spannungen, die es rechtfertigten, dem Wunsch der Betroffenen nach Bestellung eines anderen Betreuers zu entsprechen. Auch sei davon auszugehen, dass die Gefahr einer eigennützigen Ausübung des Betreueramtes zum Nachteil der Betroffenen nicht begründet sei. So habe der Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen klargestellt, persönlich nicht die Absicht zu haben, anwaltliche Dienstleistungen zu erbringen, wenn nicht eine konkrete Aussicht bestehe, die dabei entstehenden Gebühren im Erfolgsfall von dem Verfahrensgegner beizutreiben. Jedoch sehe sich die Kammer zur Klarstellung des rechtlichen Rahmens dazu veranlasst, dem Rechtsanwalt gem. § 1908i BGB i.V.m. § 1837 Abs. 2 S. 1 BGB eine Weisung zu erteilen.

Der Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten am 11.12.2003 zugestellt worden. Mit ihrer am 24.12.2003 durch Schriftsatz ihres Betreuers eingereichten weiteren Beschwerde wendet sich die Betroffene gegen die in Ziff. 4 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Weisung. Die Betroffene vertritt hierbei die Auffassung, die Weisung greife in unverhältnismäßiger Weise in die verfassungsrechtlich geschützte Berufsausübung eines Rechtsanwalts ein und sei nicht geeignet, die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege aufrechtzuerhalten. Es gebe keine anwaltsspezifische Gefahr von Interessenkollisionen bei einer Doppeltätigkeit als Rechtsanwalt und Betreuer. Vielmehr sei eine Interessenkollision durch die Tätigkeitsverbote der BRAO und die höchstrichterliche Rspr. zum Haftungsrecht der Rechtsanwälte ausreichend und abschließend geregelt. Auch sei der Inhalt der Weisung unklar, da nicht erkennbar werde, wie das Gericht die Betreuertätigkeit von der anwaltlichen Tätigkeit abgrenzen wolle. Da für die Betroffene eine umfassende Vermögenssorge mit einem Einwilligungsvorbehalt in qualifizierten Bereichen angeordnet worden sei, dürfte es keinen Bereich anwaltliche Tätigkeit geben, der nicht zugleich das Betreuungsverfahren erfasse. Auch sei unklar, wann eine „konkrete” Aussicht bestehe, die Kosten beizutreibend. Schließlich sei-en gebührenrechtliche Interessenkollisionen abschließend durch die BRAGO geregelt.

II. A. Die weitere Beschwerde der Betroffenen, mit der sie die Verletzung des materiellen Rechts rügt (§ 27 Abs. 1 FGG), ist zulässig. Die Betroffene wendet sich mit der weiteren Beschwerde gegen die in Ziff. 4 des angefochtenen Beschlusses enthaltene Weisung. Ihre Beschwerdeberechtigung folgt aus § 69g Abs. 2 FGG. Nach dieser Vorschrift kann der Betreuer gegen eine Entscheidung, die seinen eigenen Aufgabenkreise b...

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