Entscheidungsstichwort (Thema)
Elterliche Sorge: Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei gewalttätigen Angriffen eines Elternteils gegen den anderen Elternteil
Leitsatz (amtlich)
a. Ist ein Elternteil gegen den anderen in erheblichem Maße gewalttätig geworden und lehnt dieser deswegen eine Kommunikation mit jenem ab, so ist die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge geboten, wenn deren Aufrechterhaltung dem Kindeswohl nicht zuträglich ist.
b. Nach § 1671 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 BGB kann die elterliche Sorge nur auf den antragstellenden, nicht aber auf den anderen Elternteil übertragen werden.
Normenkette
BGB § 1671 Abs. 1-2
Verfahrensgang
AG N (Beschluss vom 31.03.2010) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in N. vom 31.3.2010 - Az. - wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner hat den übrigen Beteiligten die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
3. Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens: 3.000 EUR.
4. Dem Antragsgegner wird die von ihm für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte Prozesskostenhilfe verweigert.
Gründe
I. Aus der am 31.8.2000 geschlossenen und seit dem 20.10.2009 rechtskräftig geschiedenen Ehe der im August 1976 geborenen Mutter und des im Juni 1968 geborenen Vaters ist die verfahrensbetroffene Tochter S. S., geboren am 00.00. 2000, hervorgegangen. S. lebt seit der Trennung der Eltern am 15.5.2007 bei der Mutter. Diese ist aus einer vorangegangenen Beziehung Mutter der weiteren Tochter S. M. L., geboren am 00.00. 1999, für die sie die alleinige elterliche Sorge innehat und die bei ihr wohnt.
In dem vor dem Familiengericht N. zwischen den Eltern geführten Verfahren Az. übernahm der Vater in einem Vergleich am 13.7.2007 die Verpflichtung, sich der Mutter - mit Ausnahme unbedingt erforderlicher Kontakte zur Ausübung des Umgangsrechts mit den Kindern S. und S. M. L. sowie nach ausdrücklicher Vereinbarung - nicht mehr auf weniger als 50 Meter zu nähern, diesen Abstand im Falle zufälligen Zusammentreffens sofort wieder herzustellen und es zu unterlassen, die Mutter zu bedrohen, zu beschimpfen und zu schlagen.
Dem lag ein Vorfall zugrunde, wegen dem der Vater im Strafverfahren Az. AG N. mit Urteil vom 28.1.2009 der - zum Nachteil der Mutter begangenen - vorsätzlichen Körperverletzung für schuldig befunden wurde. Deswegen wurde er - unter Einbeziehung einer vorangegangenen Verurteilung zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt. Diese Strafe verbüsste der Vater vom 7.10.2009 bis zum 6.5.2010. Im Urteil ist festgestellt, dass sich der Vater am 15.6.2007 wegen des Sorge- und Umgangsrechts für S. mit der Mutter stritt und der Mutter derart heftig ins Gesicht schlug, dass diese im Bereich der Nase und der Lippe zu bluten begann.
Aus dem bei diesen Strafakten befindlichen Urteil des AG S. vom 7.5.2008 -Az.) - gehen zahlreiche, bis in das Jahr 1991 zurückreichende Vorstrafen des Vaters hervor, u.a. wegen Körperverletzung und gefährlicher Körperverletzung, wegen derer der Vater auch schon mehrfach Strafhaft erlitten hat. Letztmals hatte er bis November 2005 eine Freiheitsstrafe von dreizehn Monaten verbüßt.
Mit Beschluss vom 20.9.2007 -Az., Az. und Az. - übertrug das Familiengericht S. das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. im Einvernehmen der Eltern auf die Mutter.
In der vorliegenden, vom vormaligen Scheidungsverbund, der am 4.7.2007 eingeleitet worden war, abgetrennten Folgesache Sorgerecht hat die Mutter beantragt, ihr die alleinige elterliche Sorge für S. zu übertragen.
Der Vater hat um Zurückweisung des - vom Kreisjugendamt unterstützten - Antrags gebeten.
Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das Familiengericht der Mutter die alleinige elterliche Sorge für S. übertragen.
Mit seiner gegen diesen ihm am 16.4.2010 zugestellten Beschluss gerichteten, am 30.4.2010 beim Saarländischen OLG eingegangenen Beschwerde beantragt der Vater, den angefochtenen Beschluss "aufzuheben" und sucht um Bewilligung von "Verfahrenskostenhilfe" für das Beschwerdeverfahren nach.
Das Jugendamt hat unter Verteidigung des angefochtenen Beschlusses auf Zurückweisung der Beschwerde angetragen. Die Mutter hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Dem Senat haben die Akten Az. und Az. des AG S., Az. und Az. des AG N. sowie Az. der Staatsanwaltschaft S. vorgelegen.
II. Die Senatsentscheidung richtet sich gem. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht (vgl. BGH FamRZ 2010, 1060 m.w.N.).
Der nach §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässigen Beschwerde des Vaters bleibt ein Erfolg versagt.
Zu Recht, auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens und mit wohlerwogener Begründung hat das Familiengericht der Mutter - über das ihr bereits zustehende Aufenthaltsbestimmungsrecht hinausgehend - nach § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 BGB die Alleinsorge für S. übertragen.
Das den Eltern gem. Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG verfassungsrecht...