Leitsatz (amtlich)
1. Gehen die Parteien zu Beginn eines Rechtsstreits unausgesprochen von der Geltung der AKB 2008 für einen Versicherungsfall im Februar 2008 bei einem 2006 geschlossenen Versicherungsvertrag aus und widerspricht der Versicherer dem nach einem Hinweis des Gerichts, so ist er gehalten darzulegen, wie und wann es zu der - jedenfalls im Jahr 2008 erfolgten - Einbeziehung der AKB 2008 gekommen sein soll.
2. Der Versicherer darf seine Leistung um 25 % kürzen, wenn der Vorwurf der grob fahrlässig fehlerhaften Sicherung eines verladenen Pkw allein darin besteht, dass der sachunkundige Versicherungsnehmer sich nicht hinreichend über notwendige technische Anforderungen vergewissert hat.
Normenkette
AKB 2008
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 17.07.2009; Aktenzeichen 14 O 292/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 17.7.2009 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 14 O 292/08 - aufgehoben und zu Ziff. I wie folgt neu gefasst:
Das Versäumnisurteil vom 16.3.2009 wird insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 4.047,80 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3.7.2008 zu zahlen. Im Übrigen wird das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen
2. Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen.
3. Die Beklagte trägt die Kosten ihrer Säumnis in erster Instanz. Im Übrigen tragen der Kläger 56 %, die Beklagte 44 % der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 9.225 EUR festgesetzt.
6. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Fahrzeugversicherungsvertrag wegen eines vom Kläger verursachten Verkehrsunfalls vom 16.2.2008, für den die Beklagte (u.a.) wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls keine Entschädigung leisten will.
Der Vertrag wurde im Juni 2006 geschlossen (Versicherungsschein Nr ..., Bl. 89 d.A.). Er enthielt eine Vollkaskoversicherung für das Fahrzeug Land Rover, amtliches Kennzeichen ..., mit 300 EUR Selbstbehalt. Im Versicherungsantrag vom 6.6.2006 (Bl. 92 d.A.) war unter "Fahrzeugverwendung" angegeben: "Eigenverwendung ohne Vermietung oder Car-Sharing, kein Taxibetrieb, Fahrschule, Kurier-, Liefer- oder Zustelldienst". Mit Blick auf die berücksichtigten Tarifmerkmale war die Nutzung des Fahrzeugs als "ausschließlich privat" bezeichnet.
Dem Vertrag lagen ursprünglich die damals gültigen Allgemeinen Bedingungen der Beklagten für die Kraftfahrtversicherung (im Folgenden: AKB 2005) zugrunde. Sie enthielten keine von § 61 VVG a.F. abweichende Regelung für eine Leistungsfreiheit bei vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls. Die Parteien streiten darüber, ob vor dem Versicherungsfall die nunmehr aktuellen, insoweit dem Versicherungsnehmer günstigeren AKB 2008 in den Vertrag einbezogen wurden. Nur diese Bedingungen wurden vom Kläger bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 29.12.2008 zur Akte gereicht (Bl. 94 d.A.) und vom LG ausweislich des Tatbestandes der erstinstanzlichen Entscheidung als dem Vertrag zugrunde liegend betrachtet (Bl. 251 d.A.). Sie regeln in der von den Parteien und dem LG offenbar übersehenen Klausel A. 2.16 1 (Bl. 108 d.A.):
Wir verzichten Ihnen gegenüber auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles. [...].
Für die Pkw-Produktlinie "Basis" gilt abweichend: wir sind im Fall der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Wir verzichten hier nicht auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalles.
Zur Höhe der Versicherungsleistungen in der Kaskoversicherung heißt es (Bl. 106 d.A.):
A.2.7.1
7Wird das Fahrzeug beschädigt, zahlen wir die für die Reparatur erforderlichen Kosten bis zu folgenden Obergrenzen:
[...]
b) Wird das Fahrzeug nicht, nicht vollständig oder nicht fachgerecht repariert, zahlen wir die erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts [...]
Unter der Überschrift "Mehrwertsteuer" enthält die Klausel A. 2.9 (Bl. 107 d.A.) folgende Regelung:
Mehrwertsteuer erstatten wir nur, wenn und soweit diese für Sie bei der von Ihnen gewählten Schadenbeseitigung tatsächlich angefallen ist und durch Vorlage der Reparaturrechnung nachgewiesen wird. [...].
Der Kläger betreibt seit dem 18.6.2007 einen Handel mit Neu- und Gebrauchtfahrzeugen sowie eine Fahrzeugvermietung (Gewerberegisterauskunft vom 23.1.2009, Bl ... f. d.A.). Mindestens einmal hat er auch - allerdings mit einem Lkw - einen Kraftfahrzeugtransport für die Firma S. u. B. durchgeführt (Bl. 169 d.A.).
Am 16.2.2008 hatte der Kläger in St. Ingbert einen Verkehrsunfall. Er transportierte mit dem versicherten Pkw auf einem Anhänger einen Porsche. Auf gerader Strecke scherte der Anhänger nach rechts aus....