Leitsatz (amtlich)
Legt der Verkäufer einer Eigentumswohnung dem Käufer Berechnungsbeispiele über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vor, die ihn zum Kauf bewegen sollen, liegt regelmäßig ein - zusätzlicher - Beratungsvertrag vor.
In diesem Fall hat der Verkäufer über die finanziellen Auswirkungen und den Mehraufwand richtig und vollständig zu informieren.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 14.11.2005; Aktenzeichen 6 O 125/05) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.11.2005 verkündete Grund- und Teilurteil des LG Saarbrücken - 6 O 125/05 - dahin abgeändert, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten (hinsichtlich der Kosten) durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn die Beklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Wert der Beschwer der Kläger übersteigt 20.000 EUR.
Gründe
A. Die Kläger - seit 1993 in Deutschland aufenthaltsame deutsch-russische Aussiedler - machen gegen die Beklagte - eine Wirtschaftsagentur für steuerbegünstigte Anlagen - Schadensersatzansprüche geltend wegen angeblicher Falschberatung anlässlich des zum Zwecke der Steuerersparnis erfolgten Erwerbs einer voll finanzierten Eigentumswohnung in S., [Straße].
Sie haben diese - 54,33 qm große - Eigentumswohnung mit notariellem Kaufvertrag vom 17.5.2002 (Bl. 14 ff.) zu einem Kaufpreis von 77.000 EUR von der Beklagten erworben und sind zwischenzeitlich als Eigentümer eingetragen. Die Kaufpreisfinanzierung erfolgte durch ein mit Darlehensvertrag vom 18.6.2002 (Bl. 28 ff.) aufgenommenes Darlehen bei der [Bankbezeichnung1] in S. 2, dessen Tilgung gegen Abtretung der Ansprüche aus zwei Lebensversicherungsverträgen (vgl. Bl. 43 ff. bzw. Bl. 46 ff.) ausgesetzt wurde, die der künftigen Darlehensrückführung dienen sollten; als sonstige Sicherheit war ferner ein Bausparvertrag bei der [Bankbezeichnung2] abgetreten.
Dem Erwerb der Eigentumswohnung war ein Beratungsgespräch in der klägerischen Mietwohnung am 29.4.2002 - auf wessen Initiative hin, ist streitig - sowie eine weitere Besprechung am 14.5.2002 in den Räumen der Beklagten und eine Besichtigung der Wohnung am 17.5.2002 vorausgegangen. Im Zuge der Besprechungen unterbreitete die Beklagte den Klägern mehrere "Berechnungsbeispiele" (vgl. Bl. 32 f.; Bl. 73 f.; Bl. 168 ff.), die u.a. eine Gegenüberstellung von Einnahmen und Ausgaben im Zuge des Erwerbes der fraglichen Eigentumswohnung enthielten.
Nach klägerischer Darstellung ist die Beklagte an sie herangetreten, um sie über die Möglichkeiten einer Steuerersparnis zu beraten, und habe ihnen - trotz ihres Einwandes, ihre damalige Mietwohnung erwerben zu wollen - die Anschaffung einer Immobilie zwecks Vermietung und Steuerersparnis empfohlen. Grundlage ihrer Kaufentscheidung sei die Finanzierungsberechnung der Beklagten gewesen, wonach sie lediglich 91 EUR monatlich hätten aufbringen müssen. Diese Berechnung sei fehlerhaft gewesen, sowohl hinsichtlich der angesetzten Verwaltungs- und Instandhaltungsauslagen als auch der zu erzielenden Steuerersparnis. Zudem habe die Beklagte die monatlichen Zahlungen für die Lebensversicherungen und den Bausparvertrag überhaupt nicht berücksichtigt. Darüber hinaus habe die Beklagte die komplette Finanzierungsvermittlung übernommen. Bei zutreffender Aufklärung und Beratung hätten sie vom Erwerb der Immobilie abgesehen.
Das LG hat der Leistungsklage durch Grund- und Teilurteil vom 14.11.2005 (Bl. 190 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, dem Grunde nach stattgegeben und das ferner geltend gemachte Feststellungsbegehren - wegen weitergehender Schäden und des Annahmeverzuges der Beklagten - für begründet erachtet. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwischen den Parteien sei zumindest konkludent ein Beratungsvertrag zustandegekommen, spätestens mit der Erstellung der - auf die zu erwerbende Eigentumswohnung und die persönlichen Verhältnisse der Kläger zugeschnittenen - "Berechnungsbeispiele"; die sich hieraus ergebenden Pflichten zur Erteilung richtiger und vollständiger Auskunft habe die Beklagte hier schon dadurch verletzt, dass sie bei Berechnung der sich ergebenden monatlichen Belastungen die Bauspar- und Lebensversicherungsbeiträge völlig unberücksichtigt gelassen habe. Insbesondere das "Berechnungsbeispiel" vom 18.6.2002 sei damit fehlerhaft und irreführend hinsichtlich des erforderlichen Mehraufwandes.
Eine formularmäßige Freizeichnung, wie geschehen, sei unwirksam; ein Mitverschulden komme bei unrichtiger Auskunft grundsätzlich nicht in Betracht. Die Kläger seien hiernach so zu stellen wie bei ordnungsgemäßer Beratung. Da sie den Wohnungserwerb nach eigener Darstellung dann nicht getätigt hätten, habe eine Vertragsrückabwicklung z...