Leitsatz (amtlich)

a) Jedenfalls dann, wenn einer privaten Bank gegenüber einer politischen Partei quasi eine "Monopolstellung" zukommt, weil diese nicht in der Lage ist, bei einer anderen Bank ein Konto zu eröffnen, kann die nach § 242 BGB durchzuführende Interessenabwägung zur Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung eines Girovertrages führen.

b) Zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 21.12.2007; Aktenzeichen 1 O 422/07)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das am 21.12.2007 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 1 O 422/07 e.V. - dahingehend abgeändert, dass die ergangene einstweilige Verfügung aufgehoben und der Antrag des Verfügungsklägers zu 1 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen sowie die Feststellungsklage des Verfügungsklägers zu 2 abgewiesen wird.

II. Die Verfügungskläger tragen die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

A. Der Verfügungskläger zu 1 ist der Landesverband S., der Verfügungskläger zu 2 der Landesverband R.-P. der N.. Diese unterhält bzw. unterhielt bei der Verfügungsbeklagten folgende Girokonten:

  • Konto Nr. ...06 des Verfügungsklägers zu 1, eröffnet im August 2002
  • Konto Nr. ...03 des Kreisverbandes S. des Verfügungsklägers zu 1, eröffnet etwa im Oktober 2002
  • Konto Nr. ...07 des Kreisverbandes S.-O. (ehemals S.-P.) des Verfügungsklägers zu 1, eröffnet etwa 1977 bei der [Bankbezeichnung 2], [Ort]
  • Konto Nr. ...08 des Verfügungsklägers zu 2, eröffnet im Oktober 2005.

Nach einem Bericht des A.-Politmagazins Report vom 8.10.2007 (vgl. Bl. 56) über Geschäftsbeziehungen deutscher Banken - u.a. der Verfügungsbeklagten - zur N. kündigte die Verfügungsbeklagte mit Schreiben vom 10.10.2007 an den Verfügungskläger zu 1, den Kreisverband S. und den Kreisverband S.-O. diese Konten unter Verweis auf Nr. 19 Abs. 1 ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Bl. 91 ff.) fristgerecht zum 30.11.2007 (vgl. z.B. Bl. 49). Mit Schreiben vom 19.10.2007 (Bl. 51) sprach sie ggü. dem Verfügungskläger zu 2 die fristgerechte Kontenkündigung zum 7.12.2007 aus.

Im Wege der einstweiligen Verfügung begehren die Verfügungskläger - der Verfügungskläger zu 1 auch für die Kreisverbände S. und S.-O. - die Verpflichtung der Verfügungsbeklagten zur Weiterführung dieser Konten bis zur Entscheidung in der Hauptsache.

Durch das angefochtene Urteil (Bl. 117 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG die einstweilige Verfügung erlassen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Erlass einer einstweiligen Verfügung sei gem. §§ 935, 940 ZPO gerechtfertigt. Der Verfügungsanspruch ergebe sich aus den jeweiligen Giroverträgen (§ 676 f. BGB), die durch die ausgesprochenen Kündigungen der Verfügungsbeklagten nicht beendet worden seien. Zwar sei die Verfügungsbeklagte grundsätzlich nach Nr. 19 Abs. 1 S. 3 AGB berechtigt, den Girovertrag ohne Vorliegen eines besonderen Grundes ordentlich zu kündigen. Im Einzelfall könne eine solche Kündigung aber - etwa wegen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) - unwirksam sein. Hiervon sei vorliegend auszugehen, denn die Kündigung erweise sich - im Hinblick auf die Bedeutung der Konten für die Verfügungskläger und auch unter Berücksichtigung der Interessen der Verfügungsbeklagten - wegen der unzureichenden Beachtung der vor allem in den Grundrechten zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidung des Grundgesetzes als willkürlich. Die Abwicklung von Zahlungen über eine Bankverbindung sei für eine politische Partei von existenzieller Bedeutung. Die Kündigungen stellten deshalb einen schweren Eingriff in ihre Interessen dar, da die Verfügungskläger glaubhaft gemacht hätten, dass sie jedenfalls derzeit und kurzfristig eine andere Bankverbindung nicht erlangen könnten. Die Verfügungskläger könnten auch nicht auf einen Anspruch auf Kontoeröffnung gegen ein Kreditinstitut, namentlich eine [Bankbezeichnung 3], verwiesen werden, denn ein eindeutiger, leicht durchsetzbarer Anspruch bestehe auch gegen diese nicht. Demgegenüber bestünden auch keine überwiegenden beachtlichen Interessen der Verfügungsbeklagten an den Kontenkündigungen. Diese stellten sich als politisch motiviert dar, da die Verfügungsbeklagte die negative Berichterstattung über die N. und ihre politischen Ansichten zum Anlass für die Kündigung genommen habe. Dies stelle sich als willkürlich und deshalb rechtsmissbräuchlich dar, weil sie die politische Anschauung zum Anlass für einen erheblichen Eingriff in die Interessen der Partei nehme und diese auf diese Weise benachteilige. Dahinter müsse auch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zurückstehen, zumal vorliegend nicht über die Eingehung einer Geschäftsbeziehung sondern über deren Beendigung zu entscheiden sei. Hieran seien strengere Anforderungen zu stellen. Die Verfügungsbeklagte habe durch die im Wesentlichen erst kürzlich erfolgten Kontoeröffnungen zu...

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