Leitsatz (amtlich)
Keine Beweislastumkehr zugunsten des Patienten bei Nichtwahrnehmung von Kontrollterminen und auch dadurch bewirkter erheblicher Gefährdung des Heilungsverlaufs.
Normenkette
BGB § 253 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 611, 630a, § 630aff
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 14.02.2013; Aktenzeichen 16 O 20/11) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 14.2.2013 verkündete Urteil des LG Saarbrücken, 16 O 20/11, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist, ebenso wie das angegriffene Urteil, vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen die Zwangsvollstreckung aus den Urteilen gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten zuvor Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht als Miterbin Ansprüche aus einem behaupteten ärztlichen Fehlverhalten geltend.
Der Vater der Klägerin und Erblasser, Herr W. B., wurde am 11.7.2002 wegen eines akuten Abdomens in dem von der Beklagten zu 2. betriebenen Caritas Klinikum aufgenommen. Der Beklagte zu 1. veranlasste am gleichen Tag eine laparoskopische Exploration, wobei er in der Bauchhöhle eine Peritonitis (Entzündung des Bauchfells) feststellte. Hiernach stellte der Beklagte zu 1. auf eine mediale Laparotomie um und entfernte operativ eine stark entzündete Gallenblase. Hierbei kam es zu einer massiven Blutung einer Leberarterie, worauf der Beklagte zu 1. mit einer Umstechungsligatur reagierte.
Am 17.7.2002 wurde bei Herrn W. B. eine ERCP-Untersuchung (Röntgenuntersuchung der Gallengänge, Gallenblase und der Bauchspeichel-Drüsengang-Systems; Untersuchung mittels Röntgenkontrastmittel und Spezialendoskop) durchgeführt, wobei auffiel, dass das Kontrastmittel im mittleren Drittel des Gallenganges abbrach. Der Beklagte zu 3. nahm daraufhin am 18.7.2002 eine Revisionsoperation vor. Hierbei wurde als Ursache des Choledochussverschlusses eine bei der Blutstillung des Ersteingriffs unbemerkt angelegte doppelte Umstechung des Hauptgallenganges festgestellt. Die beginnende Choledochusnekrose wurde durch den Beklagten zu 3. ausgeschnitten und hierüber eine Drainage gelegt. Zudem wurde eine angetroffene kleine Leckage durch eine Naht verschlossen.
Beim Patienten entwickelte sich in der Folge eine Gallenfistel. Zudem kam es zu einem Wundinfekt, zur Wunderöffnung, was eine offene Wundbehandlung bedingte. Er wurde am 21.8.2002 entlassen. Laut Arztbrief vom 20.8.2002 wurden zur Weiterbehandlung eine Re-ERCP mit Entfernung der Choledochus-Prothese sowie klinische Verlaufskontrollen empfohlen.
Aufgrund eines Stentverschlusses sowie einer narbigen Hepaticusstenose musste sich der Patient ab Juni 2003 in den Universitätskliniken des S. behandeln lassen. Es erfolgte eine interventionelle Behandlung der Gallenwege (Drainage, Yamakawa-Prothese mit regelmäßigem Prothesenwechsel) bis einschließlich April 2004.
Der Patient wurde in der Folgezeit weiter in den Universitätskliniken, im Klinikum in Su., D. und in P. behandelt. Am 20.1.2007 verstarb der Patient. Er wurde zunächst von seiner Ehefrau, U. B., allein beerbt. Diese ist während des vorliegenden Verfahrens verstorben und wurde von der Klägerin mit beerbt.
Noch zu Lebzeiten des Patienten leitete dieser ein Verfahren vor der Gutachterkommission der Ärztekammer des S. ein. Der dort tätige Gutachter Prof. Dr. K. kam in seinem Gutachten vom 13.3.2003 zu dem Ergebnis, die therapeutischen Schritte des Beklagten zu 1. nach der Verfahrenskomplikation der Blutung seien zu kritisieren. Die hinter den Beklagten stehende Haftpflichtversicherung leistete am 26.9.2008 "zur Klaglosstellung" eine Zahlung i.H.v. 15.000 EUR.
Die Klägerin hat behauptet, die sich im Rahmen der ersten Operation zeigende Komplikation hätte der Beklagte zu 1. durch abschließende intraoperative Cholangiographie erkennen und durch sofortige Korrektur beheben können. Hierdurch wäre dem Erblasser der Zweiteingriff erspart worden. Die schwierige intraoperative Situation hätte durch das sog. Pringle-Manöver (Stoppen der Blutung durch Kompressionsdruck) behoben werden können. Hiernach hätte die Blutungsquelle in Ruhe identifiziert, eine Verletzung des Hauptgallenganges und damit auch die weitere Operation vermieden werden können. Der Sachverständige habe zu Unrecht angenommen, das Pringle-Manöver sei nicht angezeigt gewesen. Damit sei die Umstechung, die der Beklagte zu 1. durchgeführt habe und die zur Verletzung des Gallengangs führte, fehlerhaft gewesen. Infolge des Behandlungsfehlers sei ihr Vater im weiteren Verlauf dauerhaft bettlägerig gewesen, habe intensiv gepflegt werden müssen und sei letztlich behandlungsfehlerbedingt verstorben.
Die Klägerin ist der Ansicht, es sei ein Schmerzensgeld i.H.v. 115.000 EUR gerechtfertigt. Zudem stünde ihr ein Anspruch auf Erstattung eines Haushaltsführungsschadens, von Unterhaltsschäden, Pflege...