Normenkette
BGB §§ 355, 356b Abs. 2, §§ 357-358, 488, 492 Abs. 2, § 494 Abs. 4; EGBGB Art. 247 §§ 6-13; EGRL 48/2008 Art. 10, 14; ZPO §§ 242, 256 Abs. 1, §§ 294-295
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 30.04.2021; Aktenzeichen 1 O 11/21) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das am 30.04.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken, Az.: 1 O 11/21, teilweise abgeändert:
1. Unter Abweisung der Klage im Übrigen wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem Darlehensvertrag mit der Nr. ... seit dem Zugang des Widerrufs am 03.04.2020 kein Anspruch mehr auf den Vertragszins und die vertragsgemäße Tilgung zugestanden hat.
2. Auf die Hilfswiderklage wird festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, an die Beklagte Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs Mercedes-Benz E 220 d mit der Fahrzeugidentifikations-Nr. ... zu zahlen in Höhe der Differenz zwischen dem Fahrzeugwert zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger und dem Verkehrswert des vorbezeichneten Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Herausgabe an die Beklagte im Rahmen der Rückabwicklung.
II. Die Kosten, die durch die Anrufung des unzuständigen Landgerichts Baden-Baden entstanden sind, trägt der Kläger. Im Übrigen werden die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen gegeneinander aufgehoben.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts Saarbrücken sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 63.991,20 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger und die beklagte Bank streiten um die Frage der Wirksamkeit und der Rechtsfolgen des Widerrufs der Vertragserklärung des Klägers zum Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags zur Teilfinanzierung eines Kraftfahrzeugs.
Der Kläger bestellte bei der Fahrzeug-Werke L. AG in Bochum am 29.01.2018 einen gebrauchten Mercedes-Benz E 220 d zu einem Gesamtpreis von 43.950 EUR (Anlage K1, Anlagenband). Er leistete eine Anzahlung von 15.000 EUR und schloss zur Finanzierung des restlichen Kaufpreises mit der Beklagten auf Vermittlung der Verkäuferin am 29.01.2018 einen Darlehensvertrag über eine Laufzeit von 36 Monaten. Der Vertrag war bezeichnet als "Ratenkredit mit festem Zinssatz und Zusatzvereinbarung". Der Nettodarlehensbetrag belief sich auf 28.950 EUR, der Sollzinssatz betrug 2,95 %. Darlehensraten waren ab März 2018 zu zahlen, als Fälligkeitstermin für die Schlussrate in Höhe von 18.898,50 EUR war "02/2021" vereinbart.
Seite 1 der Vertragsurkunde enthielt unter anderem folgende Klausel:
"Ausbleibende Zahlungen
Ausbleibende Zahlungen können schwerwiegende Folgen für Sie haben (z. B. Zwangsverkauf) und die Erlangung eines Kredits erschweren. Für ausbleibende Zahlungen wird Ihnen der gesetzliche Zinssatz für Verzugszinsen berechnet. Der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz."
In der Widerrufsinformation wurde für den Fristbeginn auf den Erhalt der "Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit)" abgestellt.
Des Weiteren enthielt die Widerrufsinformation unter der Überschrift "Widerrufsfolgen" folgenden Hinweis:
"Soweit das Darlehen bereits ausbezahlt wurde, hat es der Darlehensnehmer spätestens innerhalb von 30 Tagen zurückzuzahlen und für den Zeitraum zwischen der Auszahlung und der Rückzahlung des Darlehens den vereinbarten Sollzins zu entrichten. Die Frist beginnt mit der Absendung der Widerrufserklärung. Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 2,37 EUR zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde."
In Ziffer IX.5. der Allgemeinen Darlehensbedingungen wurde hingegen vereinbart, dass die Beklagte für den Fall des Widerrufs innerhalb der Widerrufsfrist auf die ihr zustehenden Soll-Zinsen verzichte (Bl. 456 d.A.).
Der Kläger zahlte die Darlehensraten ab April 2018.
Mit E-Mail vom 03.04.2020 (Anlage K2) widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Vertragserklärung und forderte die Beklagte auf, binnen 14 Tagen mitzuteilen, dass sie den Widerruf anerkenne; sodann erfolge "die Rückabwicklung der Kfz-Finanzierung nebst des Autokaufs". Die Beklagte wies den Widerruf mit Schreiben vom 07.04.2020 als verspätet zurück. Der Kläger ließ den Widerruf mit Anwaltsschreiben vom 28.04.2020 (Anlage K3) unter Hinweis auf die Fehlerhaftigkeit der ihm seinerzeit erteilten Widerrufsinformatio...