Leitsatz (amtlich)

1. Das Gericht ist nicht zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung verpflichtet, wenn eine Partei ein ihr im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegendes Gutachten erst innerhalb der Spruchfrist einreicht.

2. Vom Erstgericht in Anwendung von § 296a ZPO nicht berücksichtigtes Vorbringen kann in der Berufungsinstanz nur nach Maßgabe von § 531 Abs. 2 ZPO geltend gemacht werden.

 

Normenkette

BGB § 280; ZPO §§ 296a, 531

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 11.09.2002; Aktenzeichen 16 O 390/99)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.9.2002 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken – 16 O 390/99 – wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Klägerin wird auf 30.677 Euro festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin, die sich bereits im Kindesalter Operationen im Bauchraum unterziehen musste, stand über eine Reihe von Jahren in der Behandlung des beklagten Facharztes für Gynäkologie. Über Jahre hinweg litt die Klägerin unter chronischen Unterleibsbeschwerden, zeitweise auch Miktionsbeschwerden, die auf einen Verwachsungsbauch zurückzuführen sind. Wegen einer vorzeitigen Plazentaablösung wurde bei der Klägerin im Jahre 1989 eine sekundäre Sektion mit Unterbauchlängsschnitt – mit der Folge einer Sterilisation – vorgenommen. Außerdem wurde der Klägerin auf Grund nicht therapierbarer Dauerblutungen im Jahre 1994 die Gebärmutter entfernt.

Anlässlich einer Ultraschalluntersuchung stellte der Beklagte Ende Januar 1997 in beiden Eierstöcken der Klägerin zystische Tumore fest. Da die Klägerin unter erheblichen Schmerzen litt, vereinbarten die Parteien die Durchführung eines operativen Eingriffs. Im Anschluss an ein Aufklärungsgespräch unterzeichnete die Klägerin am 10.3. einen Aufklärungsbogen (Bl. 53–56 d.A.), der den Eingriff einer Re-Laparotomie (Bauchspiegelung) und Adnektomie beiderseits ausweist. Am 11.3.1997 führte der Beklagte auf seiner Belegstation in der Knappschaftsklinik S. den Eingriff in der Technik der „Re-Laparotomie” am offenen Bauch durch; dabei wurden beide Eierstöcke der Klägerin entfernt. Nachdem die Körpertemperatur der Klägerin in der Nacht vom 15. zum 16.3.1997 angestiegen war, konnte bei einer Kontrastmitteldarstellung des Darms eine Perforation nicht festgestellt werden. Unter septischen Temperaturen entwickelte sich am 18.3.1997 die Symptomatik eines akuten Abdomens. Wegen der Verdachtsdiagnose einer Darmperforation nahm Oberarzt Dr. G. am 18.3.1997 eine Revisions-Laparotomie vor, bei der sich eine Darmperforation in der Größe eines 10-Pfennig-Stücks zeigte, die durch Alschichtnähte geschlossen wurde. Am 19.3.1997 wurde die Klägerin wegen Bettenmangels in die Universitätsklinik H. verlegt, wo sie während eines Zeitraumes von drei Wochen auf der Intensivstation betreut wurde. Dabei kam es zur Anlage eines künstlichen Darmausgangs.

Am 4.4.1997 wurde die Klägerin von der Universitätsklinik H. wieder in die Knappschaftsklinik S. überstellt. Die Bauchdecke der Klägerin wurde am 21.4.1997 definitiv geschlossen.

Die Klägerin hat vorgetragen, der Eingriff vom 11.3. sei nicht indiziert gewesen und fehlerhaft durchgeführt worden. Ferner seien dem Beklagten Aufklärungsmängel vorzuwerfen. Zum einen sei sie über eine Laparoskopie und nicht die tatsächlich durchgeführte Laparotomie aufgeklärt worden. Zum anderen habe sie erst im Verlauf des vorliegenden Rechtsstreits erfahren, dass der Beklagte auch ihre Eierstöcke entfernt habe.

Die Klägerin hat beantragt (Bl. 299, 298, 1 f. d.A.).

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 15.338,76 Euro zu zahlen;

2. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, die ihr aus der Operation vom 11.3.1997 entstanden sind und die ihr in Zukunft noch entstehen, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen bzw. übergegangen sind.

Die Beklagte hat beantragt (Bl. 299 d.A.), die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sowohl einen Behandlungsfehler als auch einen Aufklärungsmangel in Abrede gestellt.

Durch das angefochtene Urteil (Bl. 339–353 d.A.), auf dessen Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 120 ff. d.A.), eines Ergänzungsgutachtens (Bl. 98 ff. d.A.), mündlicher Anhörung des Sachverständigen (Bl. 223 ff. d.A.), Anhörung der Parteien sowie Vernehmung einer Zeugin (Bl. 185 ff. d.A.) die Klage abgewiesen. Nach Auffassung des LG liegt weder ein Behandlungs- noch ein Aufklärungsmangel vor.

Mit der Berufung rügt die Klägerin, das LG habe de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge