Leitsatz (amtlich)
Die erhöhte Betriebsgefahr eines bei Nacht wegen einer Reifenpanne auf der rechten Fahrspur einer zweispurigen Autobahn liegengebliebenen Lkws rechtfertigt eine Verkürzung der Haftungsquote (im vorliegenden Fall: um ein Drittel) selbst dann, wenn der mit mäßig überhöhter Geschwindigkeit auffahrende Lkw den erforderlichen Sicherheitsabstand zu einen vorausfahrenden Lkw nicht eingehalten hat.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 05.03.2004; Aktenzeichen 14 O 128/03) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 5.3.2004 - Az.: 14 O 128/03 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 13.453,91 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin den beklagten Verein auf Zahlung von restlichem Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 26.7.2002 gegen 0 Uhr auf der Bundesautobahn 6 in Höhe M., Richtung N., ereignete.
Die Autobahn verfügte an der Unfallstelle über drei Fahrspuren je Fahrtrichtung; ein Standstreifen war nicht vorhanden. Zum Unfallzeitpunkt war der Lkw der Klägerin, der mit den Zeugen G. und A. besetzt war, wegen einer Reifenpanne am rechten Fahrbahnrand der Autobahn abgestellt. Der Lkw der Klägerin wurde von einem Tanklastzug der Firma G.T. mbH, Ö., beschädigt, der sich - gesteuert vom Zeugen C. - der Unfallstelle mit einer Geschwindigkeit von 105 km/h statt der erlaubten 80 km/h näherte und dem abgestellten Lkw nicht mehr ausweichen konnte. Die Kollision mit dem Auflieger des klägerischen Lkw's erfolgte nahezu frontal. Am Lkw der Klägerin entstand ein erheblicher Sachschaden.
Der auffahrende Lkw ist bei der O.V. AG in L. haftpflichtversichert. Der Beklagte, der mit der Schadensregulierung für das Unfallereignis befasst ist, beauftragte die W.V. AG, diese vertreten durch die I. GmbH in N., mit der Schadensregulierung. Der Sachschaden der Klägerin wurde zu 2/3 reguliert.
Kurz vor der Kollision war es dem Zeugen K. mit seinem Lkw gerade noch gelungen, dem liegengebliebenen Lkw der Klägerin auszuweichen, wobei er diesen mit dem rechten Außenspiegel berührte.
Die Klägerin hat behauptet, der Zeuge C. habe den Unfall nur deshalb verursacht, weil er grob unaufmerksam und mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren sei. Auch - so die Behauptung der Klägerin - habe der Fahrer C. nur eine Ruhezeit von 32 Minuten statt der erforderlichen 45 Minuten eingelegt. Demgegenüber sei der Unfall für die Klägerin unvermeidbar gewesen. In jedem Fall trete die von den liegengebliebenen Sattelzug ausgehende Betriebsgefahr ggü. der Betriebsgefahr des auffahrenden Sattelzugs vollständig zurück, da der Zeuge C. - ebenso wie andere Fahrer - das Hindernis ohne Schwierigkeiten hätte umfahren können. Fahrer und Beifahrer des klägerischen Fahrzeugs hätten sich vor Antritt der Fahrt von dem ordnungsgemäßen Zustand aller Reifen überzeugt. Nach dem Reifenschaden sei der Lkw ordnungsgemäß abgesichert worden.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 13.453,91 EUR nebst 4 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 4.9.2003 zu zahlen.
Der Beklagte ist dem entgegengetreten. Er hat behauptet, dass der vor dem auffahrenden Lkw fahrenden Lkw des Zeugen K. erst unmittelbar vor Erreichen der Unfallstelle auf die Überholspur gewechselt sei, so dass der Zeuge C. keine Möglichkeit besessen habe, vor dem liegengebliebenen Lkw auszuweichen. Der Zeuge C. habe unmittelbar vor dem Unfall den vor ihm fahrenden Lkw überholen wollen und sei deshalb zu dicht aufgefahren.
Das LG hat die Klage abgewiesen und hierzu ausgeführt:
Auf Seiten der Klägerin liege weder ein unabwendbares Ereignis vor, noch ergebe eine Abwägung der beiderseitigen Haftungsquoten, dass auf Klägerseite eine Mithaftungsquote von weniger als einem Drittel zu berücksichtigen sei. Ein zugunsten der Klägerin zu beachtendes unabwendbares Ereignis liege nicht vor, da ein technisches Versagen, nämlich eine Beschädigung oder ein plötzlicher Luftdruckverlust des rechten Vorderreifens des klägerischen Lkws dazu geführt habe, dass dieser auf der Fahrbahn liegengeblieben sei. Zwar sei nicht zu klären, was letztlich Ursache für die Reifenpanne gewesen sei. Jedenfalls erscheine ein Fehler in der Beschaffenheit des Fahrzeugs möglich, der die Annahme eines unabwendbaren Ereignisses ausschließe. Demgegenüber habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass dem Zeugen C. ein so schwerwiegendes Verschulden zur Last zu legen sei, so dass die Betriebsgefahr des klägerischen Fahrzeugs geringer als mit einem Drittel zu bewerten sei oder etwa ganz zurücktrete.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihrer ursprüngliches Klagebegehren in vollem Umgang weiterverfolgt. Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall um ein für sie unabwendbares Ereignis handele. Da die wahr...