Leitsatz (amtlich)

Bleibt bei einer Kollision mit einer geöffneten Fahrzeugtür offen, ob die Tür während der Vorbeifahrt weiter geöffnet wurde, kommt eine Alleinhaftung des Vorbeifahrenden regelmäßig nicht in Betracht (Abgrenzung zu LG Saarbrücken, Urteil vom 10.11.2023 - 13 S 8/23 -, juris).

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17; StVO § 1 Abs. 2, § 14

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 02.02.2024; Aktenzeichen 1 O 166/22)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 1 O 166/22 - vom 2.2.2024 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert. Die Beklagten werden unter Abweisung der Klage im Übrigen als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 3.078,54 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.3.2022 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 381,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.7.2022 zu zahlen.

II. Die Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin zu 53 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 47 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 13.1.2022 in der ... in ... ereignet hat.

Dort hatte die Zweitbeklagte den von ihr geführten, bei der Erstbeklagten haftpflichtversicherten Pkw Fiat Panda (amtl. Kz.: ...) etwa in Höhe der Hausnummer 8 in einer am rechten Fahrbandrand befindlichen Parkbucht geparkt. Der Zeuge ... befuhr mit dem Klägerfahrzeug VW Golf VI Plus Team (amtl. Kz.: ...) die ... in Richtung des dort befindlichen Kreisels. Bei der Vorbeifahrt kollidierte das Klägerfahrzeug mit der hinteren linken Tür des Beklagtenfahrzeugs. Der genaue Unfallhergang steht zwischen den Parteien im Streit.

Mit der Klage hat die Klägerin von den Beklagten bei Annahme deren Alleinhaftung die Zahlung von 6.479,36 EUR (4.245,- EUR Wiederbeschaffungsaufwand + 1.104,56 EUR Sachverständigenkosten + 84,80 EUR An- und Abmeldekosten + 1.015,- EUR Nutzungsausfall + 30,- EUR Unkostenpauschale) nebst Zinsen und 713,76 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten verlangt. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht, auf dessen tatsächlichen Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Zeuge ... habe gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, da er mit einem Seitenabstand von lediglich 55 cm an dem Beklagtenfahrzeug vorbeigefahren sei, obwohl er die in der geöffneten Tür stehende Zweitbeklagte erkannt habe. Da es ihm möglich gewesen sei, einen ausreichenden Sicherheitsabstand einzuhalten bzw. bei Gegenverkehr anzuhalten, überwiege der Sorgfaltsverstoß des Zeugen so sehr, dass der Verstoß der Zweitbeklagten gegen § 14 Satz 1 StVO dahinter zurücktrete.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren Anspruch in hälftiger Höhe unter Berufung auf eine 50%ige Mithaftung der Beklagten weiter verfolgt. Die Beklagten sind dem entgegengetreten und verteidigen die angefochtene Entscheidung.

II. Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. In der Sache hat sie überwiegend Erfolg.

1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sowohl die Kläger- als auch die Beklagtenseite grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§ 7, 17, 18 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, da die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellt. Hiergegen wenden sich die Parteien nicht.

2. Soweit das Landgericht im Rahmen der danach gem. § 17 StVG gebotenen Entscheidung über eine Haftungsverteilung auf Beklagtenseite einen Verstoß der Zweitbeklagten gegen § 14 Satz 1 StVO angenommen hat, nimmt die Berufung das als für sie günstig hin. Dies begegnet auch keinen Bedenken.

a) Nach § 14 Abs. 1 StVO muss, wer ein- oder aussteigt, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Die Vorschrift dient in erster Linie dem Schutz des fließenden Verkehrs und verlangt von dem Aussteigenden ein Höchstmaß an Sorgfalt (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 31. März 2020 - 1 U 101/19, Rn. 35, juris). Diese Sorgfaltsanforderung gilt für die gesamte Dauer des Ein- oder Aussteigevorgangs, mithin für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet ist. Erfasst sind dabei insbesondere auch Situationen, in denen der Insasse ...

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