Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 21.12.2015; Aktenzeichen 4 O 390/15)

 

Tenor

I. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 21.12.2015

verkündete Urteil des LG Saarbrücken - Az. 4 O 390/1 5 - wird zurückgewiesen.

II. Der Verfügungskläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 6 festgesetzt.

 

Gründe

Der Verfügungskläger (im Folgenden: Kläger) verlangt von der Verfügungsbeklagten (im Folgenden: Beklagte), der Verlegerin der Zeitung "BILD Saarland", Unterlassung einer - von ihm als auf seine Person hinweisend gewerteten - Berichterstattung über ein gegen ihn laufendes Strafverfahren wegen des Verdachts der Vergewaltigung.

Der Kläger war Mitarbeiter (Barchef) im Hotel "Victor's" in Perl. Im Sommer des Jahres 2013 absolvierte dort ein damals 14-jähriges Mädchen ein Praktikum. Der rund 20 Jahre ältere Kläger hatte Geschlechtsverkehr mit der Jugendlichen in dem ihr zur Übernachtung zur Verfügung gestellten Hotelzimmer. Sie wurde infolgedessen schwanger.

Die Staatsanwaltschaft Saarbrücken erhob am 17.07.2015 Anklage wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung, der auf der Aussage der Praktikantin beruhte, der Geschlechtsverkehr sei, was der Kläger bestreitet, gegen ihren Willen vollzogen worden (Anklageschrift Bl. 145 der beigezogenen Akte 13 Js 55/14 der Staatsanwaltschaft Saarbrücken; im Folgenden: Beiakte). Die Anklage wurde mit Beschluss der Jugendkammer I des LG Saarbrücken vorn 24.08.2015 zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet (Bl. 151 der Beiakte).

Einen Tag nach dem Hauptverhandlungstermin veröffentlichte die Beklagte am 02.12.2015 in der Printausgabe der "BILD Saarland" unter der Überschrift

"Hotel-Angestellter soll Praktikantin vergewaltigt und geschwängert haben"

"Die Vorwürfe sind so grauenvoll!

Im Sommer 2013 soll der ehemalige Hotel-Mitarbeiter Hueseyin C. (35) eine damals 14jährige Praktikantin nachts in ihrem Zimmer im Hotel "Victor's" in Perl vergewaltigt hat. Das Mädchen wurde schwanger, brachte das Kind zur Welt.

Jetzt der Prozess am Saarbrücker LG.

Das Opfer bleibt bei seiner Version. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit sagt sie, dass sie sich gegen den Sex mit Hueseyin C. gewehrt habe. Was sagt der mutmaßliche Vergewaltiger?

Hueseyin C. behauptet, dass der Geschlechtsverkehr einvernehmlich stattgefunden

Urteil: 15.12., ab 9.00 Uhr."

Neben dem Text war ein im Gerichtsgebäude gefertigtes Foto abgebildet, auf dem der Oberkörper des Klägers bis zu den Schultern und ein Teil des Kopfes oberhalb der Stirn zu sehen sind.

Ein strafgerichtliches Urteil gegen den Kläger ist noch nicht ergangen.

Der Kläger hat den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit der der Beklagten untersagt werden sollte, identifizierend über die Anklage gegen ihn wegen Vergewaltigung in der Printausgabe der "BILD Saarland" zu berichten, soweit keine Verurteilung in erster Instanz erfolgt sei.

Er ist der Ansicht gewesen, er sei in dem Artikel identifizierbar dargestellt gewesen, wodurch - jedenfalls bis zu einer erstinstanzlichen strafgerichtlichen Verurteilungsein allgemeines Persönlichkeitsrecht im Sinne eines Eingriffs in seine Intimsphäre, zumindest aber in seine Privatsphäre, verletzt worden sei. Aufgrund der Nennung des seine türkische Abstammung offen legenden Vornamens und des Anfangsbuchstabens des Nachnamens, der früheren Arbeitsstelle sowie des abgebildeten Fotos sei er für einen breiten Kreis an Personen, so etwa für seine Bekannten und Freunde und für eine Vielzahl von Gästen des Hotels, erkennbar gewesen. Die Beklagte hat eine Individualisierbarkeit des Klägers in der angegriffenen Wort- und Bildberichterstattung in Abrede gestellt und darauf aufmerksam gemacht, dass der Vorname Hueseyin einer der häufigsten Vornamen in der arabischen Welt sei. Unabhängig davon hat sie ihrem Interesse an einer Berichterstattung das höhere Gewicht beigemessen.

Mit dem am 21.12.2015 verkündeten Urteil hat das LG Saarbrücken den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nach mündlicher Verhandlung abgewiesen.

Die Beklagte habe die Grenzen zulässiger Verdachtsberichterstattung gewahrt.

Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.

Der Kläger hat Berufung eingelegt.

Er meint, das LG hätte dem Zeitungsartikel bei sachgerechter Auslegung eine unzulässige Vorverurteilung entnehmen müssen. Die fehlende Neutralität folge aus der Verwendung der Begriffe "Täter" und "Opfer", welches die Vorwürfe "bestätigt" habe. Dass er "Täter" eines nicht sozial adäquaten Verhaltens gewesen sein möge, hält er für unerheblich, zum einen weil ein solches keinen Öffentiichkeitswert habe, zum anderen weil der Artikel sich allein mit strafbarem Verhalten befasse. Zu Unrecht habe das LG zur Rechtfertigung der Veröffentlichung die Straftatbestände des Missbrauchs von Schutzbefohlenen und des Missbrauchs Jugendlicher (§§ 174 Abs. 1 Nr. 1, 182 Abs. 2, 3 StGB) in den Raum gestellt. Auch insoweit gelte bis zu einer strafge...

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