Entscheidungsstichwort (Thema)
Stromversorger: Gerichtliche Kontrolle eines Leistungsbestimmungsrechts hinsichtlich eines Nutzungsentgeltes für die Durchleitung elektrischer Energie
Leitsatz (amtlich)
1. Das aus § 315 Abs. 3 S. 2 BGB resultierende Klagerecht auf gerichtliche Leistungsbestimmung kann nur innerhalb angemessener Frist ausgeübt werden. Dies folgt bereits aus der systematischen und teleologischen Auslegung der Vorschrift, ohne dass es auf die Rechtsfigur der Verwirkung des Klagerechts ankommt.
2. Die Verjährung des erst mit der gerichtlichen Leistungsbestimmung fällig werdenden Rückzahlungsanspruchs beginnt nicht bereits mit der Erbringung der Leistung.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 16.05.2008; Aktenzeichen 7 KFH O 52/08) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 16.5.2008 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - Az.: 7 KFH O 52/08 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1. Die Klägerin verlangt Rückzahlung überzahlter Netznutzungsentgelte für die Jahre 2002 bis 2004 nach vorheriger Festsetzung des billigen Netznutzungsentgelts durch das Gericht nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB.
Die Klägerin ist Stromhändlerin ohne eigenes Netz und verfügt über eine bundesweite Genehmigung für den Handel mit elektrischer Energie nach § 3 EnWG a.F. Die Beklagte ist Inhaberin des für die Strombelieferung erforderlichen Elektrizitätsversorgungsnetzes in ihrem Versorgungsgebiet. Eine Belieferung von Stromkunden im Netzgebiet der Beklagten ist nur über deren Elektrizitätsversorgungsnetz möglich. Die Klägerin nutzt das Netz der Beklagten seit dem 1.10.2000.
Am 5./12.9.2000 schlossen die Parteien einen Rahmenvertrag über die Belieferung von endverbrauchenden Kunden der Klägerin im Netz der Beklagten durch die Klägerin (Bl. 55 ff.). Gemäß § 3 Abs. 3 des Vertrages ist Bestandteil des Vertrages "die Preisregelung in ihrer jeweils gültigen Fassung (Anlage 1)" (Bl. 56). Am 16.10./3.11.2003 schlossen die Parteien einen Nutzungs- und Rahmenvertrag (Bl. 76 ff.), der rückwirkend zum 1.10.2000 in Kraft trat. Für das Netznutzungsentgelt regelt dieser in § 10 Abs. 1: "Ist der Lieferant Leistungsempfänger der Netznutzung, verpflichtet er sich zur Zahlung der sich aus den allgemeinen Netznutzungsbedingungen und dem beigefügten Preisblatt "Leistungen des Netzbetreibers" in der jeweils gültigen Fassung ergebenden Entgelte, insbesondere für Netznutzung und Messung." (Bl. 81).
Die Klägerin hat die genannten Verträge unter dem Vorbehalt der energie- und kartellrechtlichen Überprüfung der Nutzungsentgelte unterzeichnet. So heißt es in dem Schreiben der Klägerin vom 12.9.2000 (Bl. 130), mit dem die Klägerin den Rahmenvertrag vom 5./12.9.2000 zurückgesandt hat: "Wir behalten uns vor, die von Ihnen auf Grundlage aller Verträge in Rechnung gestellten Entgelte im Ganzen und in ihren einzelnen Bestandteilen energie- und kartellrechtlich überprüfen zu lassen. Insoweit erfolgt die Zahlung der Entgelte und der von Ihnen gestellten Rechnungen unter Vorbehalt." Im Schreiben vom 16.10.2003 (Bl. 131), mit dem die Klägerin den Vertrag vom 16.10./3.11.2003 zurückgesandt hat, hat sie ausgeführt: "Wir gehen davon aus, dass Netznutzung auf Grundlage der branchenüblichen Regelungen erfolgt und weisen ausdrücklich daraufhin, dass wir nicht beabsichtigen, Regelungen zu vereinbaren, die unseren gesetzlichen Anspruch auf Netznutzung einschränken. Der Rahmenvertrag ist daher unter dem Vorbehalt der jederzeitigen Überprüfung seines Inhaltes und seiner Handhabung auf eine diskriminierungsfreie und kartellrechtliche Unbedenklichkeit, insbesondere gem. §§ 6 EnWG, 19 GWB unterzeichnet. Vorstehende Ausführungen gelten insbesondere für die von Ihnen geltend gemachte Höhe der Netzentgelte einschließlich aller Nebenleistungen. Wir zahlen vorläufig die Entgelte unter Vorbehalt ihrer energie- und kartellrechtlichen Überprüfung im ganzen und in einzelnen Bestandteilen und unter Vorbehalt der Rückforderung oder anderweitigen Verrechnung. Eine Einigung hinsichtlich der Preisstellung ist ausdrücklich nicht erzielt worden. Hinsichtlich dieser Frage gehen wir davon aus, dass die branchenweite Diskussion in naher Zukunft weitere Erkenntnisse bringen wird." (Bl. 133).
Mit Schreiben vom 30.8.2004 hat die Klägerin die Beklagte aufgefordert, der Hemmung der Verjährung für ein Jahr bezüglich der Rückforderungsansprüche für die Jahre 2000 und 2001 zuzustimmen (Bl. 740). Die Beklagte hat das abgelehnt (Bl. 741). Die Klägerin hat sodann mit Schreiben vom 18.11.2005 die Beklagte aufgefordert, der Hemmung der Verjährung für ein Jahr bezüglich der Rückforderungsansprüche für das Jahr 2002 zuzustimmen. Die...