Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Verwirkung titulierter Bankforderungen.
2. Zur Frage der Verjährung titulierter Zinsen.
Normenkette
BGB § 197 Abs. 1 Nr. 3, § 218 Abs. 1, §§ 242, 371, 397 Abs. 2; ZPO § 767 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 18.02.2022; Aktenzeichen 1 O 338/21) |
LG Saarbrücken (Entscheidung vom 06.03.1987; Aktenzeichen 4 O 462/86) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.02.2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (1 O 338/21) dahingehend abgeändert, dass die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 06.03.1987, Az. 4 O 462/86, hinsichtlich der bis zum 31.12.2013 entstandenen Zinsen für unzulässig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen wird.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger zu 40 %, die Beklagte zu 60 %.
IV. Dieses Urteil sowie das mit der Berufung angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 27.152,75 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger ist alleiniger Erbe und damit Rechtsnachfolger seiner Mutter, der am...2012 verstorbenen Frau M. E. K.. Diese wurde mit Versäumnisurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 06.03.1987 (Az. 4 O 462/86) zur Zahlung einer Hauptforderung von 53.106,16 DM (= 27.152,75 EUR) nebst Zinsen an die Beklagte verurteilt (Ablichtung des Versäumnisurteils mit am 17.03.1987 erteilter Vollstreckungsklausel Anlage K1, Bl. 13 d. A.; Ablichtung des Zustellungsvermerks Bl. 14 d. A.). Der Kläger begehrt die Unzulässigerklärung der Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil sowie die Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung.
Am 07.08.1997 gab die Titelschuldnerin aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Saarlouis eine eidesstattliche Versicherung ab (§ 807 ZPO a. F.). Weitere Vollstreckungsmaßnahmen erfolgten in den Jahren 1988 und 1990. Die Schuldnerin wechselte in der Folgezeit mehrmals den Wohnort, u.a. nach Luxemburg mit der Beklagten unbekannter Adresse. Im Jahr 2005 wohnte sie in Merzig und es erfolgte eine erneute eidesstattliche Versicherung am 11.06.2005. Im März 2008 erwirkte die Beklagte einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss und im Oktober 2008 wurden Zwangssicherungshypotheken eingetragen. Nach Erteilung einer Rechtsnachfolgeklausel gegen den Kläger gemäß § 727 ZPO wurde im Jahr 2017 die Zwangsvollstreckung gegen diesen aufgenommen. Mit Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Saarlouis vom 11.10.2017 wurden Rückgewähransprüche betreffend im Grundbuch von Griesborn Blatt 2221 eingetragene Grundpfandrechte gepfändet und der Beklagten zur Einziehung überwiesen. Nach Ausbleiben bei einem Termin zur Abgabe der Vermögensauskunft gemäß § 802c ZPO erging unter dem 02.07.2018 ein Haftbefehl gegen den Kläger. Weitere Vollstreckungsmaßnahmen avisierte der Gerichtsvollzieher im Zeitraum Juni 2019 bis November 2019. Im Jahr 2020 wurde auf Antrag der Beklagten vom 25.11.2020 ein Zwangsversteigerungsverfahren in Gang gesetzt.
In erster Instanz hat der Kläger von seinen damaligen Prozessbevollmächtigten behaupten lassen, der titulierte Anspruch sei erfüllt, und sich zudem auf Verjährung und Verwirkung berufen. Er hat die Ablichtung einer vom 04.02.2000 datierenden "Mitteilung" an "Herrn K. K. sen.", den Ehemann der Titelschuldnerin, zur Akte gereicht.
Der Text lautet:
"Sehr geehrter Herr K.,
Bezugnehmend auf Ihre Anfrage, der Verbindlichkeiten von Ihrer Ehefrau, Frau M. E. K., geb. ...1926, gegenüber der ...sparkasse ..., können wir Ihnen mitteilen, dass keine Verbindlichkeiten bestehen.
Sollten Sie Fragen haben, stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung."
Im Briefkopf ist als Verfasser der Zeuge F. bezeichnet, ein damaliger Mitarbeiter der "Kreditabteilung III".
Der Kläger hat behauptet, es handele sich um die authentische Kopie eines Originals, über das er nach eigenen Angaben nicht verfügt; er habe sie in den Nachlassunterlagen seiner Mutter gefunden (Bl. 47, 10 d. A.).
Der Kläger hat beantragt,
1. die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Versäumnisurteil des Landgerichts Saarbrücken vom 06.03.1987, Az. 4 O 462/86, für unzulässig zu erklären,
2. die Beklagte zu verurteilen, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung des Versäumnisurteils vom 06.03.1987, Az. 4 O 462/86, an ihn herauszugeben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sowohl eine Erfüllung als auch eine Verjährung oder Verwirkung des titulierten Anspruchs in Abrede gestellt.
Zur Echtheit des Schreibens vom 04.02.2000 hat die Beklagte sich mit Nichtwissen erklärt und darauf hingewiesen...