Entscheidungsstichwort (Thema)
Erfolgreicher Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen verschwiegener erhöhter Blutfettwerte
Leitsatz (amtlich)
Überhöhte Cholesterin-, Triglycerid- und Gamma-GT-Werte sind belangvolle gefahrerhebliche Umstände. Der Versicherungsnehmer muss sie offenbaren, wenn ein Betriebsarzt ihn darüber aufklärt, eine Änderung der Ernährungsgewohnheiten empfiehlt und bei Fortbestand eine medikamentöse Behandlung erwähnt und den Versicherungsnehmer auf den Hausarzt verweist.
Normenkette
VVG §§ 16, 21
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 16.12.2003; Aktenzeichen 14 O 80/03) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16.12.2003 verkündete Urteil des LG Saarbrücken, Az. 14 O 80/03, abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwemden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 70.000 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin, die Ehefrau des am 4.11.2002 an einem Herzinfarkt verstorbenen T.S., nimmt die Beklagte auf Zahlung von 70.000 EUR aus einem Versicherungsvertrag in Anspruch.
Der verstorbene Ehemann der Klägerin (im Folgenden: Versicherungsnehmer) unterhielt bei der Beklagten mit Wirkung ab dem 1.5.2002 zu Gunsten der Klägerin als Bezugsberechtigter eine Lebensversicherung (Versicherungs-Nr. ...), die für den Todesfall des Versicherten eine Versicherungssumme i.H.v. 70.000 EUR vorsah (Bl. 14 d.A.). In dem formularmäßigen Versicherungsantrag vom 27.2.2002 (Bl. 13, 56 d.A.) beantwortete der verstorbene Versicherungsnehmer die Frage "Litten Sie in den letzten 10 Jahren oder leiden Sie zur Zeit an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden (z.B. Herz oder Kreislauf, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Wirbelsäule, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Fettstoffwechsel, Geschwülste oder sonstige Krankheiten)?" mit "Nein". Im Jahre 1999 (19.3.1999) hatte sich der Versicherungsnehmer, der technischer Beamter bei der ... war, bei dem *Arzt* Dr. R. einer Routineuntersuchung unterzogen, bei der auch eine Laboruntersuchung veranlasst worden war. Das Ergebnis dieser Laboruntersuchung teilte der *Arzt* dem Versicherungsnehmer in einem Schreiben vom 26.3.1999 unter Beifügung der Laborergebnisse mit (Bl. 26, 27 d.A.); danach war bei dem Versicherungsnehmer eine Überhöhung des Cholesterinspiegels (Messwert 337+) bei noch normalem Neutralfettspiegel (Triglyceride) sowie eine Überhöhung der Gamma GT (40+) festgestellt worden, was "auf eine ausgeprägte Cholesterinsynthese in der Leber" bzw. eine "Fettleber" hindeute. Mit Schreiben vom 23.12.2002 (Bl. 17/18 d.A.) erklärte die Beklagte den Rücktritt vom Versicherungsvertrag wegen schuldhafter Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht unter Hinweis auf die dem Versicherungsnehmer mit Schreiben vom 26.3.1999 mitgeteilten Untersuchungsergebnisse sowie die Ergebnisse einer Untersuchung vom 21.12.2000, bei der erneut erhöhte Cholesterin-, Triglycerid- und Gamma-GT-Werte festgestellt worden seien.
Die Klägerin hat behauptet, dass der Versicherungsnehmer trotz der am 19.3.1999 festgestellten erhöhten Cholesterinwerte keine Beschwerden oder Beeinträchtigungen gehabt habe. Auch in den nachfolgenden Routineuntersuchungen vom 20.12.2000, 31.1.2001 und 21.6.2001 seien keine Krankheiten, Verletzungen oder Beschwerden festgestellt worden. Der bloße Befund, dass Cholesterinwerte überhöht seien, stelle keinen offenbarungspflichtigen Umstand dar. Weiterhin stehe nicht fest, und zwar auch nicht auf der Grundlage des Obduktionsberichtes vom 7.11.2002 (Bl. 88 ff. d.A.), dass Ursache des Herzinfarktes erhöhte Cholesterinwerte gewesen seien; weiterhin stehe nicht fest, dass der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt des Todes bzw. in den Jahren davor überhaupt noch überhöhte Cholesterinwerte aufgewiesen habe. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass sich der Versicherungsnehmer einige Monate vor seinem Ableben wegen Herzbeschwerden in ärztliche Untersuchung begeben habe, ohne dass einer der behandelnden Ärzte als Ursache für die Beschwerden etwaige erhöhte Cholesterinwerte auch nur vermutet habe (vgl. Bl. 35 ff. d.A.). Von daher bestehe zwischen der Todesursache (Herzinfarkt) und den (angeblich) überhöhten Cholesterinwerten kein ursächlicher Zusammenhang. Weiterhin treffe den Versicherungsnehmer kein Verschulden. Ungeachtet des Umstandes, dass der Versicherungsnehmer keine Beschwerden oder Beeinträchtigungen des körperlichen Wohlbefindens gehabt habe, sei er mit Ausnahme des Schreibens vom 26.3.1999 nicht mehr mit erhöhten Cholesterinwerten konfrontiert worden. Soweit der Versicherungsnehmer im Frühjahr 1999 eine fettärmere Ernährung gewünscht habe, sei diesem Wunsch im Hinblick darauf, dass der Versicherungsnehmer immer wieder kleinere Gewichtsprobleme rein ko...