Leitsatz (amtlich)

1. Der Versicherer darf auch zeitlich unbegrenzte Gesundheitsfragen stellen.

2. Je länger eine verschwiegene Erkrankung zurückliegt, desto belangvoller muss sie sein, um die Rechtsfolgen einer Verletzung der vorvertraglichen Anzeigeobliegenheit auszulösen.

3. Fragt ein Versicherer nicht ausdrücklich nach Alkoholmissbrauch, so muss der Versicherungsnehmer ihn nicht ohne Weiteres als "Krankheit, Beschwerde oder Störung" angeben.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 26.10.2005; Aktenzeichen 12 O 527/04)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 26.10.2005 verkündete Urteil des LG Saarbrücken, Az. 12 O 527/04, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 102.258,38 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten unter der Versicherungsschein-Nr. 00000 für ihren Ehemann als versicherte Person eine Risiko-Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme im Todesfall i.H.v. 200.000 DM unter Einschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit einer monatlich versicherten Rente i.H.v. 1.000 DM. Versicherungsbeginn war jeweils der 1.8.1997 bei einer Laufzeit der Risiko-Lebensversicherung bis zum 1.8.2012 und der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bis zum 1.8.2010. In dem von dem Ehemann der Klägerin gestellten Versicherungsantrag vom 27.1.1997 wurde die Frage 1 der zu versichernden Person "Leiden oder litten Sie an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden (z.B. Herz oder Kreislauf, Atmungs-, Verdauungs-, Harn- oder Geschlechtsorgane, Wirbelsäule, Nerven, Psyche, Blut, Zucker, Fettstoffwechsel, Geschwülste oder sonstige Krankheiten)? Wann, woran, wie lange, Folgen?" mit "nein" beantwortet. Unter der Frage 3 "Sind Sie untersucht, beraten, behandelt oder operiert worden? Wann, und weshalb, beanspruchte Ärzte? (bitte Anschrift angeben)" wurde angegeben "10/96 Fußgelenk verstaucht, 12/96 Erkältung". Die Frage 4 "Haben Sie Unfälle, Verletzungen oder Vergiftungen erlitten? Wann? Welcher Art? Bestehen Folgen?" wurde mit "keine Folgen der Verstauchung" beantwortet. Bei der Frage nach dem Zigarettenkonsum (Ziff. 6) wurden 25 Stück pro Tag angegeben. Als "Arzt, welcher am besten über die Gesundheitsverhältnisse der zu versichernden Person unterrichtet ist (z.B. Hausarzt)", wurde Dr. A. in L. genannt (Bl. 24, 25 d.A.). Auf Nachfrage der Beklagten nach Gewicht und Größe der zu versichernden Person ging bei dieser am 23.5.1997 ein ergänzter und hinsichtlich der Person des Antragstellers sowie der zu versichernden Person abgeänderter Antrag ein; als Antragsteller war die Klägerin, als zu versichernde Person ihr Ehemann genannt. (Bl. 51 d.A.). Am 18.6.1997 ging sodann ein von der Antragstellerin und ihrem Ehemann unterschriebenes Antragsformular ein (Bl. 52 ff. d.A.); der Antrag wurde von der Beklagten am 24.6.1997 angenommen.

Am 11.10.1999 stellte die Klägerin den Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wegen einer seit Mai 1999 auf Grund eines Hirntumors (Astrozytom) anhaltenden Arbeitsunfähigkeit ihres Ehemanns. Der Beklagten ging daraufhin ein Bericht der Dipl.-Med. B., Fachärztin für Psychiatrie/Psychotherapie, vom 6.12.1999 zu, bei der sich der Ehemann der Klägerin seit dem 25.5.1999 in Behandlung befand. In diesem Bericht wurde ausgeführt, dass die versicherte Person im Vorfeld der ersten Behandlung, bei der über Geruchs- und optische Halluzinationen sowie Körpermissempfindungen geklagt worden sei, einen Alkoholmissbrauch angegeben habe (Bl. 54 d.A.). In einem diesem Bericht beigefügten Verlegungsbericht der Universität L. vom 25.10.1999 (Bl. 57 ff. d.A.) wurde in der medizinischen Anamnese vermerkt "1980 Meniskus-OP links, 1999 Varizen-OP linkes Bein, bis Mai 1999 20-jähriger Alkoholabusus (6-7 Flaschen Bier + ¼ - 1/3 Flaschen 40%iger Alkohol), ebenfalls bis Mai 1999 40 Zigaretten pro Tag" (Bl. 57, 58 d.A.). Weiterhin ging bei der Beklagten am 15.12.1999 ein Arztbrief der Fachärztin für Allgemeinmedizin Herfurt aus L. vom 13.12.1999 ein. Danach hatte der Ehemann der Klägerin am 8.1.1998 ein Alkoholproblem angegeben (Bl. 45 d.A.). In einem Arztbericht der den Ehemann der Klägerin behandelnden Ärztin Dr. A. vom 25.11.1999 wurde angegeben, dass bei diesem am 24.11.1995 ein Blutdruckwert RU 160/90, am 1.12.1995 ein Blutdruckwert RU 155/90 und am 8.12.1995 ein Blutdruckwert RU180/90 gemessen und am 1.12.1995 deswegen das Medikament Blocotenol verordnet worden sei, bis zum 11.11.1996 sei der Patient nicht wieder erschienen. Die übrigen Werte (Harnsäure, Kreatinin, Cholesterin, Blutzucker) hätten im Normbereich gelegen (Bl. 59 d.A.).

Mit Schreiben vom 21.12.1999 trat die Beklagte von dem Risiko-Lebensversiche-rungsvertrag ...

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