Leitsatz (amtlich)
1. Die Ausübung verbotener Eigenmacht begründet im Verfahren der einstweiligen Verfügung einen Verfügungsgrund.
2. Grundsätzlich trägt die Partei die Beweislast für die Voraussetzungen verbotener Eigenmacht, die daraus Rechte herleitet. Davon abweichend ist es indes Sache des Störers, die Voraussetzungen einer gesetzlichen Gestattung der Besitzentziehung oder die Zustimmung des Besitzers nachzuweisen.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; BGB §§ 858, 861
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 10 O 358/02) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 13.12.2002 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken – 10 O 358/02 – abgeändert:
Der Beschluss des LG in Saarbrücken vom 5.11.2002 – 10 O 358/02 – wird aufrechterhalten und der Widerspruch der Verfügungsbeklagten zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens fallen der Verfügungsbeklagten zur Last.
3. Das Urteil ist vollstreckbar.
Tatbestand
Die Verfügungsbeklagte (fortan: Beklagte) kaufte am 27.5.2002 bei einer D.-Niederlassung einen Pkw der Marke D. zum Preis von 31.900 Euro; (Bl. 25 d.A). Den Kaufpreis finanzierte die Beklagte, die außerdem ihren gebrauchten Pkw in Zahlung gab, mit Hilfe eines bei der D.-Bank aufgenommenen Darlehens. Die monatlichen Raten werden von dem Konto der Beklagten abgebucht.
Ende August des Jahres 2002 trennte sich die Beklagte von ihrem damaligen Lebensgefährten, dem Verfügungskläger (künftig: Kläger), und zog aus der gemeinsamen Wohnung aus; der Pkw blieb im Besitz des Klägers.
Am 9.9.2002 erstattete die Beklagte gegen den Kläger polizeiliche Anzeige wegen Unterschlagung des Fahrzeugs. Am 13.9.2002 wurde der Pkw von der Polizei sichergestellt und anschließend an die Beklagte herausgegeben.
Auf Antrag des Klägers hat das LG der Beklagten durch Beschluss vom 5.11.2002 aufgegeben, den Pkw der Marke D. zur Sicherstellung an den von dem Antragsteller beauftragten Gerichtsvollzieher als Verwahrer herauszugeben (Bl. 15 d.A.). Auf den Widerspruch der Beklagten hat das LG durch das angefochtene Urteil den Beschluss vom 5.11.2002 aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Mit seiner Berufung begehrte der Verfügungskläger, den Widerspruch der Beklagten zurückzuweisen und die einstweilige Verfügung vom 5.11.2002 aufrechtzuerhalten. Die Beklagte tritt der Berufung entgegen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Sie führt zur Aufrechterhaltung der vom LG durch Beschluss vom 5.11.2002 erlassenen einstweiligen Verfügung.
I. Der Kläger kann von der Beklagten nach §§ 861, 858 BGB Herausgabe des Pkw an sich selbst verlangen. Folglich ist der weniger weitgehende Antrag auf Herausgabe des Fahrzeugs an einen Gerichtsvollzieher ebenfalls begründet.
1. Dem Kläger steht als Voraussetzung für die Geltendmachung einer einstweiligen Verfügung ein Verfügungsgrund zur Seite. Die Ausübung verbotener Eigenmacht stellt einen Verfügungsgrund dar. Der durch verbotene Eigenmacht in seinem Besitz Gestörte kann im Wege der einstweiligen Verfügung die Wiederherstellung des vorherigen Zustands erwirken und die Herausgabe einer Sache durchsetzen (OLG Saarbrücken, NJW 1967, 1813; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., Rz. 19 vor § 935 m.w.N.).
2. Überdies verschafft die Ausübung verbotener Eigenmacht dem Besitzer einen Verfügungsanspruch. Der Kläger kann von der Beklagten gem. §§ 861, 858 BGB Herausgabe des Pkw beanspruchen. Der Besitz der Beklagten an dem Pkw ist fehlerhaft, weil sie das Fahrzeug dem Kläger durch verbotene Eigenmacht entzogen hat.
a) Verbotene Eigenmacht bedeutet jede ohne Gestattung vorgenommene Beeinträchtigung der tatsächlichen Sachherrschaft des unmittelbaren Besitzers ohne Rücksicht darauf, ob ein Anspruch auf Besitzeinräumung besteht (§ 858 Abs. 1 BGB). Dabei kommt es auf eine eigenhändige Vornahme der Besitzbeeinträchtigung nicht an. Es genügt, wenn dies mit Hilfe eines Dritten geschieht. So kann sich eine formal rechtmäßige Besitzverschaffung durch staatliche Organe als verbotene Eigenmacht bei demjenigen darstellen, der ihr Handeln veranlasst und die staatlichen Organe auf diese Weise als Werkzeug zur Erreichung seiner Zwecke eingesetzt hat (OLG Köln v. 17.2.1993 – 16 U 137/92, OLGReport Köln 1993, 138 = NJW-RR 1994, 557).
b) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte den Pkw dem Kläger ohne dessen Willen entzogen. Aufgrund der polizeilichen Angaben der Beklagten wurde der Pkw von der Polizei in Ausübung hoheitlicher Gewalt sichergestellt. Damit wurde der Kläger seines Besitzes enthoben.
3. Die Beklagte hat jedoch nicht den ihr obliegenden Beweis erbracht, dass sie zur Entziehung des Besitzes berechtigt war.
a) Grundsätzlich trägt die Partei die Beweislast für die Voraussetzungen des § 858 BGB, die aus der verbotenen Eigenmacht Rechte herleitet (Erman/O. Werner, BGB, 10. Aufl., § 858 Rz. 11; Joost in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 858 Rz. 18). Davon abweichend ist es jedoch ...