Leitsatz (amtlich)
Der mittels zulässiger Stufenklage auf Auskunft über frühere Beitragsanpassungen in Anspruch genommene private Krankenversicherer kann seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 7 Abs. 4 VVG zur jederzeitigen Übermittlung der Vertragsbestimmungen - bzw. Mitteilung der darin enthaltenen Informationen - kein Zurückbehaltungsrecht wegen einer ihm deswegen gebührenden Kostenerstattung entgegenhalten (Fortführung von Senat, Urteil vom 29. November 2023 - 5 U 6/23, juris = BeckRS 2023, 34213).
Normenkette
BGB § 273; VVG § 7 Abs. 4; ZPO § 254
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 21.02.2023; Aktenzeichen 14 O 246/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 21. Februar 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 246/21 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels betreffend die Abweisung der Klage auf Freistellung von außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.054,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit aufgehoben, soweit es zum Nachteil des Klägers ergangen ist:
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerseite Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Krankheitskostenversicherungsvertrag in den Jahren 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018 zur Versicherungsnummer ... vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
- Die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018 unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis der Klägerseite,
- die der Klägerseite zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2012, 2013, 2014, 2015, 2016, 2017 und 2018 sowie
- die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer ... seit dem 1. Januar 2012.
2. Die Entscheidung im Übrigen bleibt vorbehalten.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des vorliegenden Berufungsverfahrens, an das Landgericht Saarbrücken zurückverwiesen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird - zugleich in Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung in Ziff. 5 des landgerichtlichen Urteils - auf 10.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich mit seiner am 11. November 2021 zugestellten Klage gegen die Erhöhung von Beiträgen aus einer von ihm bei der Beklagten seit 1. Mai 2010 unterhaltenen privaten Krankheitskostenversicherung (Versicherungsschein-Nr. ...); versicherte Person ist der Kläger, er war zum 1. Januar 2020 im Tarif C. versichert, außerdem besteht eine Private Pflege-Pflichtversicherung im Tarif P.. Die monatlich zu zahlenden Versicherungsbeiträge wurden in der Vergangenheit mehrfach einseitig durch die Beklagte angepasst. Die Beitragsanpassungen teilte die Beklagte dem Kläger jeweils durch Übersendung von Nachtragsversicherungsscheinen und standardisierten Informationsschreiben mit. Der Kläger zahlte monatlich die Versicherungsbeiträge in der von der Beklagten festgesetzten Höhe. Zum 1. Januar 2020 war der Kläger in den Tarifen C. und P. versichert. Die Beklagte hat in Ansehung der geltend gemachten Ansprüche die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 91 GA) und sich höchst vorsorglich auch auf (wörtlich:) "ihr Zurückbehaltungsrecht im Sinne des § 3 Abs. 5 VVG" berufen (Bl. 138 GA).
Der Kläger hat erstinstanzlich eine Stufenklage erhoben und damit auf Erteilung von Auskünften und Unterlagen zu früheren Beitragsanpassungen, zunächst auch unter Einschluss der Jahre 2019 und 2020, sowie, daran anschließend, auf Feststellung der Unwirksamkeit einzelner noch näher zu bezeichnender Beitragsanpassungen und Rückzahlung noch zu beziffernder rechtsgrundlos gezahlter Beiträge nebst Nutzungen und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten angetragen. Er hat die Stufenklage für zulässig gehalten, weil sein Auskunftsantrag allein dem Zweck der Konkretisierung des Feststellungsanspruchs und des Leistungsanspruchs diene, und hierzu behauptet, die maßgeblichen Unterlagen lägen ihm nicht mehr vor, er wisse aber, dass Beiträge im streitgegenständlichen Zeitraum angepasst worden seien, wobei dies aufgrund unzureichender Begründungen zu Unrecht erfolgt sei. Die begehrten Auskünfte benötige er, um seinen gesamten, dem Grunde nach unzweifelhaften, derzeit aber teilweise bezifferbaren Rückzahlungsanspruch abschließend beziffern zu können, und auch um beurteilen zu können, ob Beitragsanpassungen trotz möglicherweise ordnungsgemäßer Begründung in einzelnen Jahren bereits einer wirksamen Ermächtigungsgrundlage ermangelten und daher aus anderen Gründ...