Leitsatz (amtlich)
1. Über die Zulässigkeit einer Stufenklage ist im Einzelfall auf Grundlage des schlüssigen Klägervorbringens zu befinden, das auch darüber entscheidet, ob der in erster Stufe verfolgte Auskunftsanspruch gegen den privaten Krankenversicherer in keiner Weise der näheren Bestimmung des in einer nachfolgenden Stufe angekündigten Leistungsbegehrens, sondern anderen Zwecken dient und die Stufenklage deshalb aus prozessualen Gründen ausgeschlossen ist.
2. Aus der in § 7 Abs. 4 VVG geregelten Vertragspflicht zur jederzeitigen Übermittlung der Vertragsbestimmungen einschließlich der AVB, die dem Versicherungsnehmer eine effektive Wahrnehmung seiner vertraglichen Rechte ermöglichen soll und sämtliche für die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien maßgeblichen Regelungen erfasst, folgt unter Umständen ein klagbarer Anspruch auf Mitteilung darin enthaltener Informationen zu früheren Beitragsanpassungen, den der Versicherer durch - ggf. kostenpflichtige - Übermittlung der betreffenden Vertragsdokumente oder entsprechender, diese Informationen beinhaltender Unterlagen erfüllen kann.
3. Ein privater Krankenversicherer kann im Einzelfall nach Treu und Glauben verpflichtet sein, dem Versicherungsnehmer Auskunft über die Höhe der eine Beitragsanpassung auslösenden Faktoren zu erteilten, soweit anderenfalls das Recht des Versicherungsnehmers zur Überprüfung der Berechtigung einseitiger Beitragserhöhungen faktisch leerliefe.
Normenkette
BGB § 242; VVG § 7 Abs. 4; ZPO § 254
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 20.12.2022; Aktenzeichen 14 O 214/21) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 20. Dezember 2022 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 214/21 - aufgehoben:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über alle Beitragsanpassungen zu erteilen, die die Beklagte in dem zwischen den Parteien geschlossenen Krankheitskostenversicherungsvertrag in den Jahren 2012, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 zur Versicherungsnummer ... vorgenommen hat und hierzu geeignete Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die folgenden Angaben enthalten sind:
- Die Höhe der Beitragsanpassungen für die Jahre 2012, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 unter Benennung der jeweiligen Tarife im Versicherungsverhältnis des Klägers,
- die dem Kläger zu diesem Zwecke übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein der Jahre 2012, 2014, 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 sowie
- die jeweilige Höhe der auslösenden Faktoren für die Neukalkulation der Prämien in sämtlichen ehemaligen und derzeitigen Tarifen des Versicherungsvertrages mit der Versicherungsnummer ... seit dem 1. Januar 2012.
2. Hinsichtlich des Klageantrages zu Ziff. 8) betreffend die Freistellung von außergerichtlichen anwaltlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.054,10 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit wird die Klage abgewiesen.
3. Die Entscheidung im Übrigen bleibt vorbehalten.
II. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des vorliegenden Berufungsverfahrens, an das Landgericht Saarbrücken zurückverwiesen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.750,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger wendet sich mit seiner am 28. Oktober 2021 zugestellten Klage gegen die Erhöhung von Beiträgen aus einer von ihm bei der - vormals unter "C." firmierenden - Beklagten seit 1. Dezember 1989 unterhaltenen privaten Krankheitskostenversicherung (Versicherungsschein-Nr. ...); versicherte Personen sind der Kläger und seine Ehefrau jeweils im Tarif "V332S2" bzw. seit einer Erhöhung der Selbstbeteiligung zum 1. Januar 2012 "V332S3" (Nachträge zum Versicherungsschein als Anlagen B16 und B17 vorgelegt), außerdem besteht eine - erstinstanzlich zuletzt nicht mehr streitgegenständlich gewesene - private Pflegepflichtversicherung im Tarif PVN. § 11 der dem Vertrag zugrunde liegenden - bislang nicht vorgelegten - Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) enthält eine Beitragsanpassungsklausel. Die Beklagte passte die ursprünglich vereinbarte Prämie in der Vergangenheit wiederholt einseitig an, wobei ein unabhängiger Treuhänder der jeweiligen Erhöhung jeweils zustimmte; die entsprechenden Erhöhungen wurden dem Kläger jeweils durch Übersendung eines Anschreibens, eines Nachtrags-Versicherungsscheines und eines Informationsschreibens mitgeteilt, die der Kläger erhielt; dieser zahlte die neu festgesetzten Prämien in der Folge regelmäßig. Die Beklagte hat in Ansehung der geltend gemachten Ansprüche die Einrede der Verjährung erhoben (Bl. 107 GA).
Der Kläger hat erstinstanzlich eine Stufenklage erhoben und auf Erteilung von Auskünften und Unterlagen zu früheren Beitragsanpassungen sowie, daran anschließend, auf Feststellung der Unwirksamkeit einzelner noch näher zu bezeichnende...