Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht - Erlöschen der Treppenhausbeleuchtung
Leitsatz (amtlich)
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht liegt vor, wenn in einem Treppenhaus eines Praxen- und Bürogebäudes die Beleuchtung nach Betätigung eines Schalters nach Ablauf von wenigen Minuten automatisch erlischt und nicht anderweitig sichergestellt ist, dass Benutzer davon nicht überrascht werden.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 29.09.2008; Aktenzeichen 11 O 42/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 29.9.2008 - 11 O 42/08 - dahingehend abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt werden, an die Klägerin 2.000 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 2.1.2008, 42,55 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 21.5.2008 und 316,18 EUR zu zahlen, und festgestellt wird, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 19.11.2007 unter Berücksichtigung hälftigen Mitverschuldens zu ersetzen, soweit ihre Ansprüche nicht auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
Die weiter gehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.042,55 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht.
Die Beklagten sind Eigentümer des dreistöckigen Anwesens P. Straße 3 in S., in dem vier Arztpraxen betrieben werden. Der Zugang zu den Arztpraxen erfolgt über einen Personenaufzug oder ein Treppenhaus. Das Treppenhaus verfügt über Fensterelemente. Vor dem Gebäude befindet sich eine Straßenbeleuchtung. Die Lichtsteuerung erfolgt im Treppenhaus über Tastschalter, die die Beleuchtung über eine Zeitschaltuhr nach Betätigung vier Minuten lang einschalten. An der Treppe ist ein Handlauf angebracht.
Die Klägerin besuchte am 19.11.2007 eine Arztpraxis im zweiten Obergeschoss. Als sie diese gegen 18.00 Uhr verließ, war die Treppenhausbeleuchtung eingeschaltet. Die Klägerin ging die Treppe hinab und stürzte. Sie zog sich eine subcapitale Humeruskopfluxationsfraktur der rechten Schulter mit Riss der Supraspintussehne mit Pully-Verlust zu. Durch die Verletzung der Schulter ist eine vorzeitige Arthrose im Schultergelenk zu erwarten. Die Klägerin musste sich einer neuntägigen stationären Behandlung und einer Operation unterziehen.
Die Klägerin hat behauptet, während sie die Treppe herunter gegangen sei, sei das Licht plötzlich ausgegangen. Sie habe sich in diesem Moment, als es schlagartig völlig dunkel geworden sei, zwischen dem ersten Obergeschoss und dem Erdgeschoss befunden. Sie habe sich zu dem Handlauf getastet, sei dann weitergegangen und habe sich gut festgehalten. Als sie mit einem Fuß ins Leere getreten sei, weil sie wohl eine Stufe verfehlt habe, sei sie auf ihren rechten Arm gestürzt. Ihre betroffene Schulter sei nach wie vor nicht voll beweglich.
Der Erblasser W. G. hat behauptet, auch bei ausgeschaltetem Licht falle in das Treppenhaus so viel Helligkeit von der Außenbeleuchtung herein, dass der Weg zum nächsten Treppenabsatz und Lichtschalter bewerkstelligt werden könne.
Die Klägerin hat 4.000 EUR Schmerzensgeld, Attestkosten von 42,55 EUR, die Feststellung der Ersatzpflicht des Erblassers W. G. für ihre Folgeschäden sowie vorgerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 489,45 EUR verlangt.
Das LG Saarbrücken hat den Erblasser W. G. durch Urt. v. 29.9.2008 - 11 O 42/08 - antragsgemäß verurteilt, an die Klägerin 4.000 EUR Schmerzensgeld, 42,55 EUR für Attestkosten und 489,45 EUR für vorgerichtliche Anwaltskosten sowie Zinsen zu zahlen und festgestellt, dass dieser zum Ersatz der Zukunftsschäden der Klägerin verpflichtet ist. Der Erblasser W. G. hat hiergegen Berufung eingelegt. Nach seinem Tode haben seine Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft den Rechtsstreit fortgeführt und beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des LG Saarbrücken die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil.
Der Senat hat die Lichtverhältnisse im Treppenhaus bei einem Ortstermin vom 19.11.2009 in Augenschein genommen und ein medizinisches Sachverständigengutachten bei Dr. B. eingeholt.
II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes i.H.v. 2.000 EUR, der Attestkosten i.H.v. 42,55 EUR, auf Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für den zukünftigen materiellen und immateriellen Schaden unter Berücksichtigu...