Leitsatz (amtlich)
1. Zum Anspruch auf Differenzschadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bei der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen (hier: Thermofenster, Kühlmittel-Soltemperatur-Regelung).
2. Eine vergleichsweise geringe jährliche Laufleistung des Fahrzeugs ("Wenigfahrer") ist ein Umstand, der im Rahmen der Vorteilsausgleichung gegebenenfalls über den Restwert Berücksichtigung findet. Sie gibt grundsätzlich keinen Anlass, bei der Ermittlung der Nutzungsvorteile anhand der linearen Berechnungsmethode von einer geringeren Gesamtlaufleistung auszugehen, da es sich hierbei um einen Durchschnittswert handelt.
3. Ein durch den Hersteller angebotenes und an dem Fahrzeug installiertes Software-Update ist ein durch den Markt zu bewertendes Fahrzeugmerkmal und als solches ebenfalls regelmäßig über den Restwert ausreichend berücksichtigt.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 2, § 826; EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 17.04.2020; Aktenzeichen 7 O 68/20) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 17.4.2020 - 7 O 68/20 - in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 2.6.2020 teilweise abgeändert. Die Beklagte wird unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 2.750 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.7.2019 zu zahlen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 90 % und die Beklagte zu 10 %.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger erwarb von der... GmbH am 16.4.2013 einen von der Beklagten hergestellten gebrauchten Mercedes Benz B 180 CDI (Erstzulassung am 17.2.2012) mit einer Laufleistung von 38.911 km. Der Kaufpreis von 27.500 EUR wurde teilweise durch ein zwischenzeitlich abgelöstes Bankdarlehen finanziert. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs OM 651 (Schadstoffklasse Euro 5) ausgerüstet. Die Steuerung der Abgasrückführung (AGR) erfolgt unter anderem temperaturabhängig unter Einsatz eines so genannten Thermofensters. Das Fahrzeug verfügt ferner über eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR).
Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat verschiedene von der Beklagten hergestellte Fahrzeuge - unter anderem mit Motoren des Typs OM 651 - wegen vermeintlich unzulässiger Abschalteinrichtungen zurückgerufen. Im Rahmen einer "freiwilligen Kundendienstmaßnahme" bietet die Beklagte ein Update für die Motorsteuerung des Fahrzeugs an. Am 13.12.2023 erließ das KBA einen Bescheid gegenüber der Beklagten, in dem bestimmte umgebungs- bzw. motorstarttemperaturabhängige Steuerungen in der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtungen beanstandet wurden. Das streitgegenständliche Fahrzeug gehört zu einem Fahrzeugtyp, der von dem Bescheid erfasst ist. Die Beklagte hat gegen den Bescheid des KBA Widerspruch eingelegt.
Der Kläger hat die Beklagte erstinstanzlich zuletzt auf Zahlung von 19.131,78 EUR nebst bezifferter Zinsen sowie Deliktszinsen und auf Freistellung von restlichen Darlehensverbindlichkeiten in Anspruch genommen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs. Daneben hat er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.872,35 EUR erstrebt und den Rechtsstreit im Übrigen (einseitig) für erledigt erklärt. Der Kläger hat vorgetragen, in dem streitgegenständlichen Fahrzeug werde mindestens eine auf den Prüfstand ausgerichtete unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines Thermofensters verwendet, deren Einsatz die Beklagte in Kenntnis der Funktionsweise gebilligt habe. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der zuletzt hilfsweise (unter anderem) einen Anspruch auf Differenzschadensersatz geltend macht.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.368,28 EUR sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16.5.2019 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Mercedes-Benz B 180 CDI mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ...;
2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des in Ziffer 1 genannten Fahrzeugs seit dem "16.05." in Annahmeverzug befindet;
3. die Beklagte zu verurteilen, an die ... Rechtsschutzversicherungs-AG, ... zur Schadennummer... vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.358,86 EUR über dem Basiszinssatz seit Rechtshängi...