Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 16 O 22/17)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 18.07.2019 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 16 O 22/17 - wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses Urteil sowie das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen behaupteter Aufklärungs- und Behandlungsfehler auf Zahlung von Schmerzensgeld und Erstattung vorgerichtlich entstandener Anwaltskosten sowie - klageerweiternd in der Berufungsinstanz - auf Feststellung ihrer Ersatzpflicht für sämtliche zukünftige Schäden in Anspruch.

Die am 29.06.2001 geborene Klägerin suchte am 03.12.2015 die Beklagte, eine in eigener Praxis niedergelassene Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, aufgrund eines Kontrazeptionswunsches auf. An diesem Tag verschrieb und übergab die Beklagte ihr eine Packung des Kontrazeptivums Levomin20. Im Übrigen wird auf die an diesem Tag erstellte Dokumentation der Beklagten (GA 30 ff.) Bezug genommen.

Am 13.01.2016 wurde bei der Klägerin eine Beckenvenenthrombose festgestellt, wegen der sie vom 13.01. bis 20.01.2016 und vom 20.02. bis zum 23.02.2016 stationär sowie anschließend ambulant weiter behandelt werden musste.

Gestützt auf die Behauptung, die Einnahme des Kontrazeptivums habe die Beckenvenenthrombose verursacht, hat die Klägerin der Beklagten vorgeworfen, sie vor Aushändigung des Kontrazeptivums nicht über die mit dessen Einnahme verbundenen Risiken, insbesondere das erhöhte Thromboserisiko aufgeklärt zu haben. Zudem habe die Aufklärung ihr gegenüber - sie sei erst 14 Jahre alt gewesen - nicht wirksam erfolgen können. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie das Kontrazeptivum nicht eingenommen. Zudem sei die Verordnung mit Blick auf ihren Nikotinkonsum und die vorbestehenden Risikofaktoren grob behandlungsfehlerhaft gewesen.

Die Beklagte hat demgegenüber behauptet, sie habe die Klägerin, die auf sie einen reifen und verständigen Eindruck gemacht habe, ausführlich über alle mit der Einnahme verbundenen Risiken und Gefahren aufgeklärt und sei dabei insbesondere ausführlich auf das erhöhte Risiko einer Thromboseentwicklung eingegangen. Zudem habe die Klägerin an mehreren Terminen, in denen sie deren Freundinnen ausführlich bezüglich der Einnahme von Kontrazeptiva beraten und aufgeklärt habe, teilgenommen. Im Übrigen hätte sich die Klägerin - eine unvollständige Aufklärung unterstellt - auch bei einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht gegen die Verordnung der Pille entschieden.

Durch das angefochtene Urteil vom 18.07.2019 (GA 168 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das sachverständig beratene Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nicht feststehe, dass bei pflichtgemäßem Handeln und zu unterstellender Ablehnung der Mutter der Klägerin die Beckenvenenthrombose mit Sicherheit vermieden worden wäre.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Klagebegehren - erweitert um die Feststellung der Verpflichtung zur Erstattung zukünftiger Schäden - weiterverfolgt.

Das Landgericht sei aufgrund einer Fehlinterpretation der Ausführungen der Sachverständigen zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem behaupteten Aufklärungsdefizit und der körperlichen Schädigung nicht vorliege. Die Sachverständige habe bestätigt, dass das Medikament Levomin mit hoher bis höchster Wahrscheinlichkeit als Trigger der bei der Klägerin diagnostizierten Thrombose in Betracht komme. Dies sei allein entscheidend. Auch wenn sich nach Darlegung der Sachverständigen aus der bei der Klägerin bestehenden generellen Thrombophilieneigung eine größere Risikoerhöhung herleiten lasse als aus der Kontrazeption, habe sie doch bestätigt, dass die Levomin-Verordnung die Thrombose ausgelöst habe. Ihre weiteren Ausführungen bei ihrer mündlichen Anhörung seien deshalb so zu verstehen, dass es ohne die beschriebene Thrombophilieneigung bei der Klägerin höchstwahrscheinlich zu keiner Thrombose gekommen wäre. Diese Interpretation stehe jedenfalls im Einklang mit ihrer gutachterlichen Einschätzung, wonach eine alleinige Verursachung der Thrombose durch die Levomin-Einnahme als eher unwahrscheinlich einzustufen sei. Bei anderer Auslegung wäre das Gutachten insgesamt widersprüchlich und damit mangelhaft, weshalb ein neues Gutachten eingeholt werden müsste.

Rechtsfehlerhaft habe das Landgericht den Beweisantrag auf Einholung eines gynäkologischen Sachverständigengutachtens zu der Behauptung, dass in Anbetracht der Thrombophilie, des Nikotinkonsums der Klägerin sowie der Lipoprotein a-Erhöhung die Verordnung von Levomin kontraindiziert und schwer behandlungsfehlerhaft gewesen sei, nicht erhoben und damit den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

Die Klägerin beantragt (G...

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