Leitsatz (amtlich)

1. Auch im vergaberechtlichen Unterschwellenbereich kann ein Bieter im Wege des Primärrechtschutzes die Unterlassung der Zuschlagserteilung begehren.

2. Der Anspruch folgt aus § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 Nr. 1, § 280 Abs. 1 i.V.m. § 1004 Abs. 1 BGB analog. Die gerichtliche Prüfung ist daher nicht auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 19.08.2011)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Nebenintervenientin wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 19.8.2011, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 12.9.2011, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die einstweilige Verfügung des LG Saarbrücken vom 24.2.2011 - 7 O 33/11, wird aufgehoben.

Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

I. Die Verfügungsklägerin begehrt die Versagung der Zuschlagserteilung an die Nebenintervenientin in einem Vergabeverfahren.

Die Verfügungsbeklagten schrieben mit nationaler Ausschreibung vom 30.10.2010 die Modernisierung von 48 Lichtsignalanlagen mit dem Austausch von Steuergerät und Signalgeber öffentlich aus. Der Auftrag soll die Demontage alter Steuergeräte und Signalgeber beinhalten, die Lieferung, Montage und Inbetriebnahme von neuen Steuergeräten mit neuen Signalgebern einschließlich Videodetektion und Blindensignalisierung, die Programmierung der verkehrsabhängigen Steuerungen mit Buspriorisierung, den Anschluss an den Verkehrsrechner der Firma ... sowie die Wartung der Lichtsignalanlagen für 10 Jahre. Der Auftrag ist in zwei Lose aufgeteilt: Los 1 - Lichtsignalanlagen; Los 2 - Instandhaltung der Lichtsignalanlagen. Beide Lose werden gemeinsam an einen Bieter vergeben, wobei die Vergabe des Loses 1 durch das Straßenamt der Verfügungsbeklagten zu 1., die Vergabe der Leistungen für das Los 2 durch die Verfügungsbeklagte zu 2. erfolgt. Die Vergabe richtet sich nach den Regelungen der VOB/A. Nach Ziff. 2.5 der Zusätzlichen Bewerbungsbedingungen erfolgt die Zuschlagsbewertung aufgrund von fünf Kriterien mit differenzierten Gewichtungsfaktoren.

Im Leistungsverzeichnis ist hinsichtlich der Instandhaltung u.a. folgendes festgehalten (Seite 42 der Verdingungsunterlagen, vgl. Bl. 229 d.A.):

Instandhaltung

2.1 bis 2.48 Lichtsignalanlagen 1 bis 48

(...) Im Leistungsverzeichnis werden die monatlichen Kosten abgefragt, wobei unterschieden wird für den Zeitraum während (48 Monate) und nach der Gewährleistung (72 Monate), so dass sich insgesamt ein Wartungszeitraum von 10 Jahren ergibt. Falls die Bieter hiervon abweichende Regelungen für eine zeitliche und inhaltliche Preisangabe vorschlagen wollen, so ist dies über Nebenangebote zu lösen und im Leistungsverzeichnis ist für die beiden Positionen (48 Monate und 72 Monate) der Preis einer Instandhaltung ohne Nachlässe einzutragen.

Auf Seite 1 des Angebotsschreibens findet sich in Ziff. 4 folgender Passus:

"Preisnachlass ohne Bedingungen auf die Abrechnungssumme für Haupt- und alle Nebenangebote:

... v.H."

Das Angebot der Verfügungsklägerin schließt nach dem Ergebnis der Submission mit 2.417.720 EUR, das der einzigen weiteren Mitbieterin, der Nebenintervenientin, mit 3.743.858 EUR. Die Nebenintervenientin hat insgesamt acht Nebenangebote abgegeben. Im Nebenangebot Nr. 8 führt die Nebenintervenientin aus (Bl. 151 d.A.):

"Auf Grund unseres großen Interesses an diesem Projekt gewähren wir einen einmaligen projektbezogenen Nachlass auf die Instandhaltung der Lichtsignalanlagen i.H.v. 48 Monaten Gebührenfreiheit nach der Inbetriebnahme der jeweiligen Lichtsignalanlagen.

Dies führt zu einer Reduzierung um 679.493,28 EUR netto. (...)"

Die Bewertung der Angebote erfolgte durch das Ingenieurbüro. Mit Vergabevorschlag vom 10.2.2011 (Bl. 139 ff. d.A.) schlug dieses vor, den Auftrag an die Firma ... AG zu vergeben. Nachdem dies der Verfügungsklägerin durch die Verfügungsbeklagte zu 1. schriftlich mitgeteilt wurde, erkundigte sich der Mitarbeiter der Verfügungsklägerin telefonisch am 22.2.2011 bei dem Sachbearbeiter der Verfügungsbeklagten zu 1. nach dem Grund.

Die Verfügungsklägerin hat behauptet, der Sachbearbeiter habe in dem vorgenannten Telefonat mitgeteilt, die Ausschreibung diene nur dazu, Fördergelder zu erhalten. Man habe schon nicht damit gerechnet, dass sich eine weitere Firma an der Ausschreibung beteiligen würde. Man wolle auch keinen weiteren Anbieter haben.

Sie ist der Ansicht, auch bei einer Vergabe unterhalb der EU-Auftragsschwellenwerte könne sie Primärrechtsschutz in Form eines Unterlassungsanspruchs aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB geltend machen. Das Nebenangebot Nr. 8 als Preisnachlass ohne Bedingung dürfe nicht gewertet werden, da es nicht an einer vom Auftraggeber in den Vergabeunterlagen bezeichneten Stelle - Vordruck Seite 1, Ziff. 4 (Bl. 170 d.A.) aufgeführt sei. Aus Seite 42 des Leistungsverzeichnisses ergebe sich lediglich die Möglichkeit zur Gestaltung eines inhaltlichen Nebenangebotes, sei es in zeitlicher, sei es in kaufm...

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