Leitsatz (amtlich)
1. Im Hinblick auf das transportrechtliche Haftungsregime bestehen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Risikoausschlusses in der Frachtführerhaftpflichtversicherung für leichtfertig und in dem Bewusstsein der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts herbeigeführte Versicherungsfälle, solange der Versicherer diese Deckungsbegrenzung und ihre Tragweite nicht ausdrücklich hervorhebt.
2. Die Obliegenheit zur sorgfältigen Auswahl des Fahrpersonals wird verletzt, wenn sich der Versicherungsnehmer kein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen lässt oder sich bei bisherigen Arbeitgebern über den Leumund unterrichtet.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 30.11.2004; Aktenzeichen 7-II O 79/04) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.11.2004 verkündete Urteil des LG Saarbrücken, Az. 7-II O 79/04, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird 30.000 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin, die ein Transportunternehmen betreibt, unterhält bei der Beklagten für ihre Fahrzeuge eine Frachtführerhaftungsversicherung (Versicherungsvertrag-Nr. ..1, mit Nachtrag Nr. ..2 und Versicherungsschein vom 25.9.2001, Nr. ..3). Der Versicherungsvertrag war ausweislich der SVG-Frachtführer-Europapolice (Bl. 27 ff. d.A.) zum 17.1.2001 zeitlich befristet bis zum 1.2.2002 mit Verlängerungsklausel und unter Einschluss der Versicherungsbedingungen zur SVG-Frachtführer-Europapolice (Bl. 31 ff. d.A.) abgeschlossen worden. Gemäß Ziff. 3 dieser Versicherungsbedingungen sind ausgeschlossen Versicherungsansprüche aller Personen, die den Schaden vorsätzlich oder leichtfertig und in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde, herbeigeführt haben. Ziff. 7.1.2. der Versicherungsbedingungen bestimmt, dass es dem Versicherungsnehmer obliegt, das Fahrpersonal sorgfältig auszuwählen und laufend zu überwachen sowie die weiteren mit dem Versicherer besonders vereinbarten Schadensverhütungsmaßnahmen einzuhalten. Gemäß Ziff. 8 ist der Versicherer nach Maßgabe der §§ 6, 62 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) leistungsfrei, wenn der Versicherungsnehmer eine Obliegenheit verletzt, und bleibt abweichend von § 6 Abs. 1 S. 3 VVG der Versicherer wegen Verletzung einer vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllenden Obliegenheit auch dann leistungsfrei, wenn er von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat" (Bl. 32 d.A.).
Im Jahre 2002 wurde von einem Fahrer der Klägerin, die mit der Durchführung von Transporten für die Fa. Sch. beauftragt war, Transportgut entwendet. Dieser Fahrer, der vor Beginn seiner Tätigkeit bei der Klägerin bei der Fa. V. als Kraftfahrer beschäftigt war, hatte im Rahmen der für die Fa. V. durchgeführten Fahrten ebenfalls Transportgut nicht an die Empfänger abgeliefert, sondern für eigene Zwecke an sich genommen. Er wurde deswegen mit Urteil des AG Saarbrücken vom 12.12.2002 (AG Saarbrücken, Urt. v. 12.12.2002 - 35-1040/02) wegen Unterschlagung in 16 Fällen unter Berücksichtigung von Vorstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten auf Bewährung verurteilt (Bl. 70 ff. d.A.).
Mit Schreiben vom 3.12.2002 meldete die Fa. Sch. der Klägerin den Verlust von Transportgut und machte Ansprüche dem Grunde nach geltend (Bl. 9, 10 d.A.). Die Klägerin ihrerseits gab unter dem 21.1.2003 eine Schadensmeldung ggü. der Beklagten ab (Bl. 63 d.A.). Diese lehnte mit Schreiben vom 4.11.2003 (Bl. 66 d.A.) unter Hinweis auf eine Obliegenheitsverletzung nach Ziff. 7.1.2., Ziff. 8 der Versicherungsbedingungen eine Regulierung ab.
Die Klägerin, die von der Beklagten Freistellung von den von der Fa. Sch. wegen des Verlustes des Transportgutes geltend gemachten Schadensersatzansprüchen begehrt, hat geltend gemacht, dass die Beklagte sich nicht auf die Verletzung einer Obliegenheit vor dem Versicherungsfall stützen könne. Ihr sei ein Auswahlverschulden in Bezug auf den Fahrer E. nicht vorzuwerfen. Der Fahrer, der sich auf eine Annonce hin gemeldet habe, habe einen ordentlichen und vertrauenswürdigen Eindruck gemacht, und auch ein Besuch in dessen Privaträumen vor der Einstellung habe keinen Grund zu Bedenken gegeben. Auch seien in der Folgezeit keinerlei Beanstandungen - sei es aus dem Arbeitsumfeld, sei es aus dem Kundenkreis - an sie herangetragen worden. Für die Einholung eines polizeilichen Führungszeugnisses habe keine Veranlassung bestanden, ein qualifiziertes Arbeitszeugnis hätte sich der Fahrer E. nicht ausstellen lassen, und ein einfaches Arbeitszeugnis wäre ohne Aussagekraft gewesen. Zur Einforderung eines polizeilichen Führungszeugnisses sei sie nicht, auch nicht auf der Grundlage der Versicherungsbedingungen, verpflichtet gewesen. Ziff. 7.1.2....