Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 17.09.1997; Aktenzeichen 16 O 324/97) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das am 17. September 1997 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken – 16 O 324/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Verfügungskläger zur Last.
3. Das Urteil ist vollstreckbar.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 100.000,– DM festgesetzt.
Tatbestand
(abgekürzt gemäß § 543 ZPO)
Der Verfügungskläger (fortan: Kläger) wurde als einer der Haupttäter des sog. „Soldatenmords von Lebach” im Jahre 1970 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Die Reststrafe wurde dem im Jahre 1992 zunächst auf Bewährung aus der Haft entlassenen Kläger zwischenzeitlich erlassen.
Die beklagte Fernsehgesellschaft hat im Rahmen der Serie „Verbrechen die Geschichte machten” unter dem Titel „Der Fall Lebach” einen Fernsehfilm produziert, der die Ereignisse um jenes Verbrechen zum Gegenstand hat. Sämtliche handelnden Personen werden durch Schauspieler dargestellt. Dabei werden weder Originallichtbilder des Klägers und seiner Mittäter gezeigt, noch deren wirkliche Namen erwähnt. Die Verfügungsbeklagte (künftig: Beklagte) hat dem Kläger vorprozessual Einsicht in den Fernsehbeitrag angeboten und sich durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung verpflichtet, den Kläger nicht im Bild zu zeigen, seinen Namen nicht zu nennen und ihn auch nicht in sonstiger Weise identifizierbar zu machen.
Der Kläger, der durch die Ausstrahlung der Sendung eine Beeinträchtigung seiner Resozialisierung befürchtet, nimmt die Beklagte im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung einer Ausstrahlung des Films „Verbrechen die Geschichte machten, Teil I der Fall Lebach” in Anspruch. Das Landgericht hat den Antrag abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Die Ausstrahlung des Fernsehfilms „Verbrechen die Geschichte machten, Teil I der Fall Lebach”, der sich einer jeglichen Identifizierung der handelnden Täter enthält, verletzt den Kläger nicht in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG). Mithin fehlt es an einem Verfügungsanspruch (§§ 935, 940 ZPO) des Klägers.
I.
Ausgehend von dem Lebach-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 202) kann eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers durch den von der Beklagten produzierten Fernsehfilm nicht festgestellt werden.
1. Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und die Menschenwürde sichern jedem einzelnen einen autonomen Bereich privater Lebensgestaltung, in dem er seine Individualität entwickeln und wahren kann. Hierzu gehört auch das Recht, in diesem Bereich „für sich zu sein”, „sich selber zu gehören”, ein Eindringen oder einen Einblick durch andere auszuschließen. Dies umfaßt das Recht am eigenen Bild und gesprochenen Wort, erst Recht aber das Verfügungsrecht über Darstellungen der Person. Jedermann darf grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und wieweit andere sein Lebensbild im Ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen (BVerfGE 35, 202, 220).
2. Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung fällt aber maßgebend ins Gewicht, daß die streitige Sendung einer Funktion dienen soll, deren freie Wahrnehmung ihrerseits in der Verfassung unmittelbar durch eine Grundrechtsnorm geschützt ist. Die Freiheit der Berichterstattung durch den Rundfunk gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Rundfunkfreiheit) ist ebenso wie die Pressefreiheit, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit schlechthin konstituierend für die freiheitlich-demokratische Grundordnung (BVerfGE 35, 202, 221). Die Verfassung hat den möglichen Konflikt zwischen der Rundfunkfreiheit und dadurch betroffenen Interessen von einzelnen Bürgern, von Gruppen oder der Gemeinschaft durch Verweisung auf die allgemeine Rechtsordnung geregelt; nach Art. 5 Abs. 2 GG unterliegt die Veranstaltung von Rundfunksendungen den Einschränkungen, die sich aus den allgemeinen Gesetzen ergeben (BVerfGE 35, 202, 223).
3. Zu den allgemeinen Gesetzen im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG gehören auch die §§ 22, 23 KUG. Diese Rechtsvorschriften, die sich nach ihrem Wortlaut und ursprünglichen Sinn nur auf das Recht am eigenen Bild bezogen, sind seit langem in Rechtsprechung und Schrifttum dahin ausgelegt worden, daß sie sowohl für die Abbildung mit und ohne Namensnennung wie für die Darstellung einer Person durch einen Schauspieler auf der Bühne, im Film oder im Fernsehen gelten (BVerfGE 35, 202, 224).
4. Die Sendeform des Dokumentarspiels verbindet eingängig dargebotene Information mit spannender Unterhaltung; ohne Verfremdung oder Verhüllung wird ein tatsächliches Geschehen in seiner Entwicklun...