Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflichten der Bank beim kreditfinanzierten Immobilienerwerb
Leitsatz (amtlich)
1. Nach wirksamem Widerruf des Darlehensvertrages gem. § 1 Abs. 1 HWiG hat das Kreditinstitut einen durch die persönliche Haftungsübernahme mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung gesicherten Anspruch aus § 3 Abs. 1 HWiG gegen den Kreditnehmer auf Erstattung des ausgezahlten Nettokreditbetrages sowie dessen marktüblicher Verzinsung.
2. Im Falle institutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgebenden Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finanzierten Objektes wird ein die Aufklärungspflicht auslösender konkreter Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Anschluss an das Urteil des BGH v. 16.5.2006 - VI ZR 6/04 widerleglich vermutet, wenn der Verkäufer oder Vertreiber evident unrichtige Angaben macht, so dass sich aufdrängt, die Bank habe sich der arglistigen Täuschung geradezu verschlossen. Solche unrichtigen Angaben können nicht allein damit begründet werden, dass der im Rechenbeispiel angegebene zu erzielende Mietzins von dem für eine vergleichbare Wohnung nach dem Mietspiegel zu erzielenden Mietzins abweicht, wenn der Anleger tatsächlich den angegebenen oder nahezu den angegebenen Mietzins erhält.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 04.05.2006; Aktenzeichen 9 O 319/04) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das am 4.5.2006 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 9 O 319/04 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Kläger wenden sich gegen die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der vollstreckbaren notariellen Urkunde des Notars D. in W. vom 25.3.1995 (UR-Nr./1995), in der sie für die Beklagte eine erstrangige Grundschuld ohne Brief über 208.000 DM bestellten, die persönliche Haftung übernahmen und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen unterwarfen (Bl. 96 ff.). Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger, ein damals 36 Jahre alter Metallarbeiter und sein Bruder, ein damals 31 Jahre alter Arbeiter, wurden im Jahre 1994 von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Eigenkapital eine Eigentumswohnung in einer Appartementwohnanlage "Residenz G., ...-Straße, F. im B." zu erwerben. Dabei wurde ihnen mit Datum 19.10.1994 eine die Wohnung Nr. 39 betreffende Beispielrechnung (Bl. 23 f.) vorgelegt, die sich allerdings nur auf einen Hälfteanteil bezog. Unter dem 31.10.1994 unterzeichneten die Kläger einen an die Beklagte gerichteten Kontoeröffnungsantrag (Bl. 25).
Zur Durchführung des Erwerbs der Eigentumswohnung erteilten die Kläger Herrn Dr. U. G., F., mit notarieller Urkunde vom 8.11.1994 (UR.-Nr./1994 des Notars Dr. A. in S., Bl. 28 ff.) eine umfassende Vollmacht. Dieser schloss am 17.11.1994 für die Kläger vor dem Notar D. in W. einen notariellen Kaufvertrag über die betreffende Wohnung nebst zugehörigem Tiefgaragenstellplatz zu einem Kaufpreis von 182.600 DM, der nach jeweiligem Baufortschritt in Raten fällig werden sollte (UR.-Nr./1994, Bl. 38 ff.).
Am 1.12.1994 unterzeichneten die Kläger einen Darlehensvertrag über 208.000 DM mit 90%iger Auszahlung als Annuitätendarlehen, den die Beklagte unter dem 14.12.1994 gegenzeichnete (Bl. 88 ff.). Eine Widerrufsbelehrung enthielt der Vertrag nicht. Ebenfalls unter dem Datum 1.12.1994 unterzeichneten die Kläger eine Selbstauskunft (Bl. 86 f.).
Im Jahr 1999 stellten die Kläger die Zahlung der Zins- und Tilgungsraten auf den mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag ein. Im Wege eines Zwischenvergleichs der Parteien wurde die von den Klägern erworbene Wohnung freihändig veräußert und der erzielte Kaufpreis von 50.000 DM dem Darlehenskonto gutgeschrieben. Wegen des danach noch ausstehenden Sollsaldos von 72.691,54 EUR leitete die Beklagte die Zwangsvollstreckung gegen die Kläger ein.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, dass die Zwangsvollstreckung unzulässig sei, da sie mit der Klage wirksam den Widerruf des Darlehensvertrages gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG a.F. erklärt hätten. Unter Hinweis darauf, dass der Wohnungserwerb konzeptionsgemäß bei der Beklagten fremdfinanziert werden müsse, habe ihnen der Anlagevermittler Z. bei ihnen zu Hause sowohl den Wohnungserwerb als auch den Darlehensvertrag vermittelt. Zudem bestehe der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens auch deswegen nicht, weil die Beklagte ihre - ausnahmsweise - wegen eines Wissensvorsprungs bestehende Aufklärungspflicht verletzt habe. Ihr sei nämlich bekannt gewesen, dass der Kaufpreis für die Wohnung um mehr als 100 % über ihrem seinerzeitigen Verkehrswert gelegen habe. Da sie sich offensichtlich des Anlagevermittlers zum Vertrieb ihres Darlehens bedient habe, müsse sie ...