Leitsatz (amtlich)

Eine erbvertragliche Regelung, die für den Fall des Verstoßes gegen ein Verfügungsverbot über Immobilien eine Schadensersatzpflicht in Geld vorsieht, kann als - wirksames - Vertragsstrafenversprechen auszulegen sein, wobei sich die Höhe der versprochenen Strafleistung bei sachgerechter Auslegung am gegenwärtigen Immobilienwert zu orientieren hat.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 14 O 35/17)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 27.09.2018 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - Az. 14 O 35/17 - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 196.875 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 15.03.2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in derselben Höhe Sicherheit leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 206.718,75 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen der Verletzung eines im Rahmen eines Erbvertrags vereinbarten Grundstücksverfügungsverbots.

Sie ist die einzige Tochter der Beklagten und des Herrn Dr. W. A. M. Mit notarieller Urkunde des Notars H. L. vom 19.07.2002 (Urkunde Nr. XXX/XXXX) schloss sie mit ihren Eltern einen Erbvertrag. Darin setzten sich die Eheleute wechselseitig zu alleinigen unbeschränkten Erben ein. Die Klägerin wurde zur Schlusserbin bestimmt und verzichtete auf den gesetzlichen Pflichtteil am Nachlass des erstversterbenden Elternteils. Die Eltern nahmen die Verzichtserklärung vertraglich bindend an.

Sodann wurde in Ziffer 8 der notariellen Vertragsurkunde folgende Regelung getroffen:

"Darüber hinaus, insbesondere im Hinblick auf den vorstehenden Pflichtteilsverzicht der Tochter, verpflichten sich beide Eheleute Dr. M. bzw. der Überlebende von ihnen, über ihren Immobiliennachlass nicht ohne Zustimmung der Tochter zu verfügen, d.h. insbesondere nicht zu verkaufen, zu verschenken, zu vertauschen und nicht grundbuchmäßig zu belasten, widrigenfalls sie in Geld schadensersatzpflichtig würden. Eine grundbuchmäßige Sicherung, etwa in Verbindung mit einer Verpflichtung zur lebzeitigen Immobilienübertragung auf die Tochter unter Nießbrauchsvorbehalt mit Vormerkung, wird allseits wegen des familiären Verhältnisses und aus Kostengründen nicht gewünscht. Alle Beteiligten nehmen diese schuldrechtlichen Vereinbarungen gegenseitig vertraglich bindend an.

[...]"

Der Vater der Klägerin verstarb im September 2008.

Im Jahr 2010 adoptierte die Beklagte ihre im Jahr 1989 geborene Enkelin K. M. Diese ist die Tochter der Klägerin und war bei der Beklagten aufgewachsen. Die Klägerin wertet die Adoption als Indiz für eine Absicht der Beklagten, den ihr zufallenden Nachlass zu schmälern.

Anfang des Jahres 2017 veräußerte die Beklagte das seit dem Tod ihres Ehemanns in ihrem Alleineigentum stehende Hausanwesen ... pp. zu einem Kaufpreis von 225.000 EUR.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die Veräußerung vor ihr geheim halten wollen und sie habe lediglich durch einen Zufall davon erfahren. In der Grundstücksveräußerung und dem Vereinnahmen des Erlöses hat die Klägerin eine sittenwidrige Vereitelung des Vertragszwecks gesehen.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Beklagte müsse ihr den Immobilienwert ersetzen, der ihr bei ordnungsgemäßer Erfüllung der im Rahmen des Erbvertrags eingegangenen Pflichten zugeflossen wäre. Sie hat ihren Anspruch auf 196.785 EUR beziffert. Der Betrag entspricht der Differenz zwischen dem erzielten Kaufpreis von 225.000 EUR und einem von der Beklagten zwischen An- und Rechtshängigkeit (am 27.02.2017) gezahlten Betrag von 28.125 EUR (= 1/8 des Veräußerungserlöses).

In erster Instanz hat die Klägerin zuletzt beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 196.875 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen zu verurteilen, außerdem die Feststellung, dass die Verurteilung auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten beruhe.

Die Beklagte hat eine Schadensersatzpflicht, insbesondere eine Absicht zur Schädigung der Klägerin bestritten. Sie hat behauptet, der den Grundstücksveräußerungsvertrag beurkundende Notar St. W. habe ihr erklärt, eine Übertragung sei rechtlich möglich und für sie nicht nachteilig. Der Notar habe auch nicht auf ein Zustimmungserfordernis hingewiesen. Abgesehen davon habe die Klägerin zumindest konkludent in die Veräußerung eingewilligt. Die Beklagte hat das daraus geschlossen, dass ihre Enkeltochter die Klägerin über seit 2011 verfolgte Verkaufsabsichten informiert und deren Ehemann dazu erklärt habe, in einem solchen Fall müsse eine Klausel wie im Erbvertrag in die Veräußerung mit aufgenommen werden.

Als Grund für den Grundstücksverkauf hat die Beklagte angeführt, i...

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