Leitsatz (amtlich)
Eine letztwillige Verfügung, die den überlebenden Ehegatten für den Fall der Wiederverheiratung mit einem Vermächtnis zugunsten der Abkömmliche des Erstversterbenden in Höhe des Wertes des Nachlasses des Erstversterbenden belastet, ist nichtig. Die ergänzende Testamentsauslegung kann in einem solchen Fall jedoch einen Vermächtnisanspruch in einer Höhe ergeben, der dem überlebenden Ehegatten einen Nachlasswert in Höhe des Pflichtteils überlässt.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 14.12.2012; Aktenzeichen 4 O 471/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 14.12.2012 - 4 O 471/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1 einen Betrag von 22.271,65 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.12.2007.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 2 - über die mit Teilanerkenntnisurteil vom 9.10.2008 ausgeurteilten 3.897,02 EUR nebst Zinsen hinaus - 35.258,46 EUR zu zahlen nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4.12.2007.
3. Es wird festgestellt, dass die Hauptsache hinsichtlich der ursprünglichen Klageanträge gemäß den Ziff. 1 bis 4 der Klageschrift vom 16.4.2004 und der Ziff. 3a des Schriftsatzes vom 1.12.2004 erledigt ist.
II. Die Anschlussberufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird festgesetzt auf 54.286,90 (22.271,65 EUR Berufung des Klägers zu 1; 29.773,34 EUR Berufung des Klägers zu 2; 2.241,91 EUR Anschlussberufung des Beklagten).
Gründe
Die Kläger sind die Söhne des Beklagten und dessen erster Ehefrau, der im Jahr 1982 verstorbenen Frau A. H. Sie machen Vermächtnisansprüche geltend aus einem im Jahr 1968 geschlossenen Ehe- und Erbvertrag (Urkunde des Notars W. S vom 11.10.1968, Urkundenrolle Nr. X/1968, Bl. 9 d.A.).
In dem Ehe- und Erbvertrag (im Folgenden: Erbvertrag) vereinbarten die Eheleute den Güterstand der Gütergemeinschaft. Unter Ziff. II trafen sie sodann folgende Regelungen:
"1. Der Zuerstversterbende setzt hiermit den Überlebenden zu seinem alleinigen Erben ein ohne jede Rücksicht auf das Vorhandensein von Pflichtteilsberechtigten.
2. Sollte der Überlebende sich wieder verheiraten, so hat er an die etwaigen Abkömmlinge des Erstverstorbenen als Vermächtnisse Geldbeträge heraus zu bezahlen, die gleich sind dem Werte des Nachlasses des Erstverstorbenen unter Berücksichtigung der ausgleichungspflichtigen Vorausempfänge.
Für die Berechnung der Vermächtnisse sind maßgebend einerseits unser Vermögensstand im Zeitpunkt des Todes des Erstverstorbenen und andererseits die Wertverhältnisse zur Zeit der Wiederverheiratung des Überlebenden. Nach dem Tode des Erstverstorbenen etwa veräußerte Vermögensgegenstände sind hierbei mit ihrem Verkaufswerte einzusetzen. Haben etwa einzelne Vermächtnisnehmer nach dem Tode des Erstverstorbenen von dem Überlebenden Zuwendungen erhalten, so haben sie sich deren Wert von ihrem Vermächtnisse in Abzug bringen zu lassen.
3. Sollte einer unserer etwaigen Abkömmlinge hinsichtlich des Nachlasses des Zuerstverstorbenen sein Pflichtteilsrecht geltend machen und den Pflichtteilsanspruch ausbezahlt erhalten, so soll der Betreffende nebst seinen Abkömmlingen auch vom Nachlasse des Längstlebenden ausgeschlossen sein und hat sich den als Pflichtteil bezogenen Betrag auf das oben für den Fall der Wiederverheiratung angeordnete Vermächtnis anrechnen zu lassen.
Dem Überlebenden bleibt das Recht vorbehalten, die vorstehend angedrohte Erbausschließung wieder aufzuheben.
Wir nehmen diesen Ehe- und Erbvertrag gegenseitig an.
[...]
Auf die gegenseitige Bindung dieses Vertrages sind wir hingewiesen. [...]"
Der Beklagte und die Erblasserin waren in Gütergemeinschaft Eigentümer eines Hausgrundstücks (Grundbuch von Hassel, Bl. 2143, s. S. 3 des Nachlassverzeichnisses, Bl. 85 d.A.).
Die Erblasserin verstarb am 24.8.1982. Im Mai desselben Jahres hatte sie von ihrer Mutter, Frau C. Z, eine Zuwendung i.H.v. 28.000 DM erhalten. Im Juni 1998 heiratete der Beklagte Frau M. B. Im Sommer 2002 erfuhren die Kläger von dem Erbvertrag.
Nachdem der Beklagte in einem vorgerichtlichen Schreiben vom 11.2.2004 den Nachlasswert mit 16.472,25 DM (8.422,12 EUR) angegeben hatte, hatten die Kläger zunächst die Verurteilung zur Zahlung von 4.211,06 EUR an jeden von ihnen beantragt und außerdem im Wege der Stufenklage eine als richtig und vollständig zu versichernde Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangt sowie die Zahlung eines auf deren Grundlage zu beziffernden weiteren Betrags. Nachdem der Beklagte ein notarielle...