Leitsatz (amtlich)
Ein Versicherer schuldet keine Geldentschädigung wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Bezugsberechtigten, wenn er dem Anspruch auf Leistung aus einer Lebensversicherung entgegenhält, der Bezugsberechtigte habe den Versicherungsnehmer getötet und in diesem Zusammenhang schwere, auch die Intimsphäre des Bezugsberechtigten berührende Vorwürfe äußert, die ihm von Dritten zugetragen worden sind.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 13.07.2010; Aktenzeichen 14 O 64/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.7.2010 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 14 O 64/10 - wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ein - in erster Instanz im Wege der Widerklage gegen einen negativen Feststellungsantrag der Klägerin verfolgter - Anspruch des Beklagten auf Entschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung. Der Beklagte sieht sein Persönlichkeitsrecht in rechtswidriger Weise dadurch getroffen, dass die Klägerin ihn in dem vor dem LG Saarbrücken geführten Rechtsstreit 14 O 351/06 und dem anschließenden Berufungsverfahren vor dem Senat (5 U 492/07), in dem er Leistungen aus einem Lebensversicherungsvertrag begehrte, des Mordes an seiner Ehefrau bezichtigte (Bl. 77 d.A.).
Ende des Jahres 2003 verbrachten der Kläger und seine Ehefrau einen Badeurlaub in Vietnam (zu den - gerichtsbekannten - Einzelheiten des nachfolgend in Teilen dargestellten Sachverhalts s. das Berufungsurteil des Senats vom 11.11.2009 - 5 U 492/07). Beim Baden im Meer kam die Versicherte unter im Einzelnen ungeklärten Umständen zu Tode. Sie wurde - entsprechend der Bitte des Klägers in einem Schreiben an die vietnamesischen Behörden vom 2.1.2004 - nicht obduziert. Der Kläger ließ den Leichnam am 3.1.2004 auf dem vietnamesischen Festland ohne vorherige Unterrichtung der Familie verbrennen. Die Staatsanwaltschaft Hildesheim ermittelte gegen den Kläger wegen des Verdachts der Tötung. Das Verfahren wurde eingestellt.
Der Beklagte begehrte vor dem LG Saarbrücken in dem Rechtsstreit 14 O 351/06 (5 U 492/07) die Feststellung der Leistungspflicht der Klägerin aus einer seit dem 1.12.2001 bestehenden Lebensversicherung mit einer Versicherungssumme von rund 1,5 Mio. EUR. Ein erheblicher Teil der Versicherungsforderung war an Gläubiger des Beklagten abgetreten.
Die (hiesige) Klägerin verweigerte ihre Leistung mit der Begründung, ein anderer Versicherer habe den Verdacht geäußert, der Beklagte habe seine Ehefrau ertränkt, um in den Genuss der Versicherungssumme zu kommen. Im Rechtsstreit machte sie sich diesen Verdacht zu Eigen und hielt sich wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Versicherungsfalls für leistungsfrei. Sie listete eine Reihe von Indizien auf, die nach ihrer Ansicht ihren Vorwurf stützten, insbesondere Unstimmigkeiten in verschiedenen Schilderungen des Geschehens durch den Beklagten, das Unterbleiben einer Obduktion, das rasche Verbrennen des Leichnams und das Verschwinden der Urne mit der Asche - aus welcher man nach ihrem Dafürhalten möglicherweise Erkenntnisse über eine eventuelle Vergiftung hätte gewinnen können -, das wegen der Höhe der Gesamtversicherungssummen bei verschiedenen Versicherern und (behaupteter) finanzieller Schwierigkeiten naheliegende Tatmotiv und schließlich nach ihrer Einschätzung gegebene Zweifel an der allgemeinen persönlichen Integrität des Beklagten. Sie berief sich u.a. auf Ermittlungen der mit der Sachaufklärung beauftragten A. GmbH, außerdem auf Schilderungen aus dem Verwandten- und Freundeskreis der Verstorbenen zum Verhältnis der Eheleute und auf Vorwürfe der sexuellen Belästigung asiatischer Haushaltshilfen.
Mit Urteil vom 21.8.2007 (14 O 351/06) folgte das LG Saarbrücken der Argumentation der Klägerin. Auf Berufung des Beklagten hob der Senat die Entscheidung auf und billigte ihm Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu, weil die tatbestandlichen Voraussetzungen einer vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalls gem. § 170 Abs. 1 VVG a.F. nicht nachgewiesen waren (Senat, Urt. v. 11.11.2009 - 5 U 492/07).
Der Beklagte verlangte infolge jenes Prozesses von der Klägerin Zahlung eines Schmerzensgelds und kündigte an, bei Weigerung in einem "öffentlichkeitswirksamen" Rechtsstreit 50.000 EUR zu fordern. Die Klägerin hat daraufhin negative Feststellungsklage erhoben. Nachdem der Beklagte im Wege der Leistungswiderklage Zahlung eines Betrags von mindestens 20.000 EUR verlangt hatte (Bl. 17 d.A.), haben die Parteien den negativen Feststellungsanspruch übereinstimmend für erledigt erklärt (Bl. 41 d.A.), so dass ...