Leitsatz (amtlich)

Bei einem Verwerfungsurteil nach § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO führt die Sachrüge nur zur Prüfung des Vorliegens von Verfahrenshindernissen, nicht hingegen zur Prüfung, ob die im Berufungsurteil festgestellten Tatsachen die Anwendung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO tragen (Aufgabe früherer gegenteiliger, u. a. in NStZ 1991, 147 f. veröffentlichter Senatsrechtsprechung).

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Entscheidung vom 11.04.2019; Aktenzeichen 11 Ns 8/19)

 

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 11. Kleine Strafkammer - vom 11. April 2019 wird kostenpflichtig als unbegründet

v e r w o r f e n.

Von Rechts wegen

 

Gründe

I.

Mit Urteil vom 6. Dezember 2018 hat das Amtsgericht - Schöffengericht - Saarbrücken den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 3 Fällen in nicht geringer Menge begangen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Saarbrücken - 11. Kleine Strafkammer - mit Urteil vom 11. April 2019 gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen und zur Begründung ausgeführt: Der Angeklagte sei am 22.01.2019 rechtzeitig und ordnungsgemäß zu dem Hauptverhandlungstermin geladen worden, zu diesem jedoch nicht erschienen. Ein Entschuldigungsschreiben sei nicht zu den Akten gelangt. Entschuldigungsgründe seien auch von Amts wegen nicht ersichtlich. Mit dem Aufruf der Sache sei über die Terminsstunde hinaus bis um 11.15 Uhr zugewartet worden. Die Nachschau im Gebäude sei ergebnislos verlaufen. Da auch kein Fall zulässiger Vertretung des Angeklagten durch einen Verteidiger vorgelegen habe und auch eine Sachverhandlung in der Berufungsinstanz nicht erfolgt sei, sei seine Berufung gemäß § 329 StPO sofort zu verwerfen gewesen.

Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger am 18.04.2019 Revision eingelegt, die er nach am 07.05.2019 erfolgter Zustellung des schriftlichen Urteils an ihn mit am 07.06.2019 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag mit mehreren Verfahrensrügen, mit denen er insbesondere die Verletzung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO geltend macht, sowie der allgemeinen Sachrüge begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den zugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.

II.

Die gemäß § 333 StPO statthafte, form- und fristgerecht eingelegte (§ 341 StPO) sowie mit der erhobenen allgemeinen Sachrüge form- und fristgerecht begründete (§§ 344, 345 StPO) Revision bleibt ohne Erfolg. Die erhobenen Verfahrensrügen sind bereits unzulässig und die Sachrüge ist unbegründet, so dass sich die Revision insgesamt als unbegründet erweist.

1. Nach § 337 Abs. 1 StPO kann die Revision allein darauf gestützt werden, dass das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruht. Für die Anfechtung eines auf § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO gestützten sogenannten Verwerfungsurteils gelten insoweit einige Besonderheiten.

a) Da es sich um ein reines Prozessurteil handelt, richtet sich die Begründung des die sofortige Verwerfung aussprechenden Urteils nicht nach § 267 sondern nach § 34 StPO. Die Urteilsbegründung muss darlegen, dass die Voraussetzungen des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO gegeben waren. Dies erfordert insbesondere die Darstellung und Auseinandersetzung mit allen erkennbaren Entschuldigungsgründen, ganz gleich, ob sie vom Angeklagten vorgebracht oder sonst für das Gericht ersichtlich waren (vgl. Senatsbeschluss vom 25. April 2018 - Ss 18/2018 (17/18) - m. w. N.; OLG Hamm StraFo 2004, 211 f. - juris Rn. 11; OLG Hamburg, Beschl. v. 07.01.2016 - 2 Rev 87/15 - 1 Ss 166/15, juris Rn. 11; Löwe-Rosenberg/Gössel, StPO, 26. Aufl., § 329 Rn. 69 m.w.N.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 329 Rn. 33; KK-StPO/Paul, 8. Aufl., § 329 Rn. 14), es sei denn diese wären von vornherein offensichtlich nicht geeignet, das Ausbleiben des Angeklagten zu entschuldigen (vgl. OLG Hamm, a. a. O., juris Rn. 12; OLG Hamburg, a. a. O., juris Rn. 12). Eine formularmäßige Begründung reicht in der Regel nicht aus (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2000, 84, 85). Nur wenn ein Eingehen auf die Einzelheiten des Falles sich deswegen erübrigt, weil überhaupt keinerlei Gründe für das Ausbleiben des Angeklagten vorgetragen oder sonst ersichtlich sind, kann eine formularmäßige Begründung ausreichen (vgl. vorgen. Senatsbeschluss; OLG Hamm, Beschl. v. 24.01.2017 - III-1 RVs 97/16, juris Rn. 8; Löwe-Rosenberg/Gössel, a.a.O., Rn. 70 m.w.N.).

b) Obwohl es sich bei dem Verwerfungsurteil um ein ausschließlich Verfahrensfragen betreffendes Prozessurteil handelt, ist die (allgemeine) Sachrüge nicht schlechthin unzulässig. Sie führt allerdings nach herrschender Meinung nur zu der Nachprüfung, ob die Verfahrensvoraussetzungen für die (Verwerfungs-)Entscheidung überhaupt gegeben waren (vgl. BG...

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