Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen nach § 1 GewSchG
Leitsatz (amtlich)
1. Im außerhäuslichen Bereich ergibt sich die Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen nach § 1 GewSchG nicht schon aufgrund der durch die Erstbegehung einer vorsätzlichen Verletzungshandlung unwiderleglich vermuteten Wiederholungsgefahr.
2. Es müssen über die "Anlasstat" hinaus im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung konkrete Anhaltspunkte für eine "konfliktbelastete" Täter-Opfer-Beziehung vorliegen.#
Normenkette
GewSchG § 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten gegen das am 23.2.2005 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken - Az. 14 O 437/04 - werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu ¾ der Klägerin und zu ¼ der Beklagten zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer wird für die Klägerin auf 4.000 EUR und für die Beklagte auf 1.230 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen einer tätlichen Auseinandersetzung, die sich am 11.3.2004 in ereignet hat, auf Ersatz materieller Schäden sowie auf Zahlung eines angemessenes Schmerzensgeldes in Anspruch. Außerdem beantragt sie gerichtliche Maßnahmen nach dem Gewaltschutzgesetz.
Die Klägerin hat zur Rechtfertigung ihrer Klage im Wesentlichen folgendes vorgetragen: Die Beklagte habe sie am Vorfallstag im Treppenhaus des Anwesens in, in dem beide Parteien damals mit ihren Familien zur Miete wohnten, beschimpft. Die Beklagte habe vermutet, dass ihr, der Beklagten, Ehemann, Erzeuger des nasciturus der damals im 4. Monat schwangeren Klägerin sei. Die Beklagte habe an der Jacke der Klägerin gerissen, die Jacke dabei beschädigt und der Klägerin danach mit dem beschuhten Fuß in die linke Bauchhälfte getreten. Die Klägerin sei wegen des Tritts zu Fall gekommen. Sie habe in der Folge an starken Bauchschmerzen gelitten. Auch sei sie wegen des Vorfalls psychisch stark beeinträchtigt gewesen.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Klägerin habe sie beschimpft. Nicht die Beklagte habe die Klägerin, sondern jene habe die Beklagte tätlich angegriffen. Sie selbst habe sich nur gegen die Angriffe zu wehren versucht und die Klägerin weggeschubst, ohne sie jedoch zu verletzen oder ihre Jacke zu beschädigen. Die Beklagte hat bestritten, dass die Klägerin vorfallsbedingt an erheblichen Bauchschmerzen gelitten hat und dass sie psychisch stark beeinträchtigt gewesen sei. Für gerichtliche Anordnungen nach § 1 GewSchG fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Zumindest bestehe, nachdem die Beklagte - insoweit unstreitig - am 1.11.2004 anderweitig Wohnung genommen habe, keine Wiederholungsgefahr.
Durch das nunmehr angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG die Beklagte nach Durchführung einer Beweisaufnahme unter Abweisung der weiter gehenden Klage zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.200 EUR sowie von 30 EUR Schadensersatz verurteilt. Ansprüche nach dem GewSchG hat das LG mangels Wiederholungsgefahr verneint.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Die Klägerin verfolgt mit ihrem Rechtsmittel den auf Anordnungen nach § 1 S. 3 Nr. 1, 2, 4 und 5 GewSchG gerichteten Klageantrag zu 1) in vollem Umfang weiter. Sie ist der Ansicht, die Erstrichterin habe von den beantragten Anordnungen rechtsfehlerhaft abgesehen.
Die Klägerin beantragt (Bl. 98, 112,186 d.A.), das angefochtene Urteil in Ziff. 1 dahin abzuändern, dass ihrem erstinstanzlichen Klageantrag zu Ziff. 1 stattgegeben wird.
Die Beklagte beantragt (Bl. 146, 150, 186 d.A.), die Berufung zurückzuweisen.
Sie tritt dem Berufungsvorbringen entgegen und verteidigt wegen der Abweisung des Klageantrages zu 1) die landgerichtliche Entscheidung.
Nach Rücknahme ihrer eigenen, wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässigen Berufung (Bl. 156 d.A.), strebt die Beklagte im Wege der Anschlussberufung eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahin an, dass die Klage insgesamt; also auch soweit sie zur Zahlung von 1.200 EUR Schmerzensgeld und 30 EUR Schadensersatz verurteilt wurde, abgewiesen wird.
Die Beklagte greift die Beweiswürdigung des LG an. Sie hält an ihrer Darstellung fest, dass sie der Klägerin keinen Tritt in den Bauch versetzt habe. Selbst wenn man die Verletzungshandlung als nachgewiesen ansehe, sei nicht belegt, dass die schwangere Klägerin Verletzungen davongetragen habe und dass sie vorfallsbedingt an starken Bauchschmerzen und psychischen Beeinträchtigungen gelitten habe.
Die Beklagte beantragt (Bl. 147,151, 186 d.A.), das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Die Klägerin beantragt (Bl. 159,...