Leitsatz
Die Parteien - zwei Nachbarinnen - stritten sich in einem Verfahren zunächst vor dem LG wegen einer vorausgegangenen tätlichen Auseinandersetzung zwischen ihnen. Die Klägerin nahm die Beklagte auf Ersatz materieller Schäden sowie auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Anspruch. Ferner beantragte sie gerichtliche Maßnahmen nach dem GewSchG.
Sachverhalt
Die Parteien stritten sich wegen einer zwischen ihnen vorangegangenen tätlichen Auseinandersetzung im Treppenhaus des Anwesens, in dem beide Parteien damals mit ihren Familien zur Miete wohnten. Nach einer zunächst nur verbalen Auseinandersetzung kam es zu Gewalttätigkeiten. Die Beklagte vermutete seinerzeit, dass ihr Ehemann Vater des Kindes sei, mit dem die Klägerin damals schwanger war.
Das LG hat die Beklagte nach Durchführung einer Beweisaufnahme unter Abweisung der weiter gehenden Klage zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 1.200,00 EUR sowie von 30,00 EUR Schadensersatz verurteilt. Ansprüche nach dem GewSchG hat das LG mangels Wiederholungsgefahr verneint.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren auf gerichtliche Maßnahmen nach dem GewSchG in vollem Umfang weiter verfolgt. Nach Rücknahme ihrer eigenen, wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist unzulässigen Berufung, strebt die Beklagte im Wege der Anschlussberufung eine Abänderung der angefochtenen Entscheidung dahingehend an, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.
Entscheidung
Das OLG hielt die Berufung der Klägerin für nicht begründet. Es teilte die Auffassung des LG, wonach gerichtliche Maßnahmen nach § 1 Abs. 1 GewSchG nicht anzuordnen waren.
Voraussetzung für Anordnungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 - 5 GewSchG ist zunächst ein materiell-rechtlicher Anspruch nach §§ 823, 1004 BGB auf Unterlassung von - zumindest bedingt - vorsätzlichen widerrechtlichen Verletzungen der in § 1 Abs. 1 GewSchG genannten Rechtsgüter. In Übereinstimmung mit dem LG sei nach dem Ergebnis der in der Vorinstanz durchgeführten Beweisaufnahme davon auszugehen, dass die Beklagte der - wie sie wusste - damals im 4. Monat schwangeren Klägerin absichtlich einen Tritt mit dem beschuhten Fuß in den Bauch versetzt hat, ohne dass ihr Verhalten durch Notwehr gerechtfertigt war. Dieser Hergang erfülle jedenfalls den Straftatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung nach § 223 StGB.
Das OLG verweist in diesem Zusammenhang auf den präventiven Charakter des GewSchG, das das Opfer vor weiterer Rechtsgutverletzung durch den Störer schützen soll, ferner bedürfe es einer Begehungsgefahr. Hat - wie hier - bereits eine vorsätzliche Körperverletzung stattgefunden, ergebe sich für das Opfer eine Beweiserleichterung dergestalt, dass die Gefahr der Begehung des zum gerichtlichen Eingreifen nach dem GewSchG Anlass gebenden Täterverhaltens als materiell-rechtliche Voraussetzung eines Unterlassungsanspruchs in Gestalt der Wiederholungsgefahr vermutet wird.
Insoweit teilte das OLG die Auffassung des LG, wonach die durch die Erstbegehung indizierte Gefahr von Wiederholungshandlungen im Streitfall als widerlegt anzusehen ist, da die Beklagte mit ihrer Familie im Oktober 2004 aus dem Anwesen ausgezogen und das Kind der Klägerin inzwischen geboren ist, die insbesondere wegen der räumlichen Nähe konfliktbelastete Täter-Opfer-Beziehung somit nicht mehr besteht.
Sei dem Auszug der Beklagten sei es weder zu weiteren Drohungen noch zu Tätlichkeiten gegenüber der Klägerin gekommen. Die Beklagte habe nicht einmal versucht, Kontakt zur Klägerin aufzunehmen. Selbst wenn die Wiederholungsgefahr entgegen der Auffassung des OLG nicht als widerlegt angesehen würde, wären die von der Klägerin beantragten Schutzmaßnahmen zur Gefahrenabwehr jedenfalls nicht erforderlich. Bei gerichtlichen Anordnungen nach dem GewSchG ist stets der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, das heißt, es ist zu prüfen, ob die Maßnahmen zur Gefahrenabwehr im Einzelfall zwingend notwendig sind. Zumindest dies kann hier nach Auffassung des OLG nicht festgestellt werden. Es müssen vielmehr konkrete Anhaltspunkte für eine "konfliktbelastete" Täter-Opfer-Beziehung vorliegen. Bei singulären Verletzungshandlungen außerhalb des sozialen Nahbereichs müssen im Verhältnis Täter-Oper über die Anlasstat hinaus Umstände vorliegen, die Grund zur Annahme geben, dass weitere Übergriffe ernsthaft zu besorgen seien. Nur dann seien Schutzmaßnahmen unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten. Diese Umstände müssen im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung fortbestehen. An diesem Erfordernis fehlt es nach Auffassung des OLG, weshalb der mit der Berufung der Klägerin weiter verfolgte Klageantrag zu 1) nicht begründet ist.
Link zur Entscheidung
Saarländisches OLG, Urteil vom 18.01.2006, 1 U 137/05-49