Leitsatz (amtlich)
Ein Beratungsbedürfnis des Versicherungsnehmers in Bezug auf den Versicherungswert besteht nicht, wenn ihn ein Architekturbüro im Auftrag des Versicherungsnehmers dem Versicherer mitteilt.
Normenkette
VVG § 56; BGB § 241; VG 88 § 16
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 13.04.2005; Aktenzeichen 12 O 219/04) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 13.4.2005 - 12 O 219/04 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 22.516,88 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einem Verbundenen Wohngebäudeversicherungsvertrag bzw. auf Schadenersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Beratungs- und Aufklärungspflichten in Anspruch.
Der Kläger ist Eigentümer eines in 67661 Kaiserslautern-Siegelbach gelegenen, im Jahr 2003 fertiggestellten Einfamilienwohnhauses. Erstellt wurde dieses Anwesen im Rahmen eines Großbauprojekts, das die Errichtung von über 20 Anwesen als Renditeobjekten zum Gegenstand hatte. Die Bausumme für das klägerische Anwesen betrug circa 180.000 EUR.
Ausweislich des Versicherungsscheins vom 23.7.2002 (Versicherungsscheinnummer: 0000; Bl. 11-13 d.A.) versicherte der Kläger das Wohnhaus bei der S. S. Versicherungs AG u.a. gegen Feuer. Weiter heißt es in dem Versicherungsschein:
"Ausfertigungsgrund: Neuantrag
Beginn des Vertrages: 5.7.2002 12.00 Uhr
Die Versicherungssumme beträgt 17.460 Mark 1914 zum Gleitenden Neuwert.
Die Versicherungssumme Mark 1914 wurde nach einer von § 16 Nr. 3 VGB 88 abweichenden Methode ermittelt.
Vertragsbestandteil sind die Allgemeinen Wohngebäude-Versicherungsbedingungen (VGB 88) - Fassung Januar 1995 -."
Am 6.3.2003 wurde das klägerische Hausanwesen durch einen im ersten Obergeschoss ausgebrochenen Brand beschädigt.
Unter dem 27.3.2003 wurde ein Nachtrag zu dem Verbundenen-Wohngebäude-versicherungsvertrag gefertigt (Versicherung-Nr. ...; Bl. 8-10 d.A.). Hierin heißt es u.a.:
"Ausfertigungsgrund: Vertragsänderung
Vertragsstand ab: 6.2.2003 12.00 Uhr."
Die Versicherungssumme wurde nicht verändert. Der Passus "Die Versicherungssumme Mark 1914 wurde nach einer von § 16 Nr. 3 VGB 88 abweichenden Methode ermittelt" verblieb ebenfalls.
Auf Grund des Brandereignisses entstand dem Kläger ein materieller Schaden i.H.v. 93.861,62 EUR. Die Beklagte, die im Wege der Rechtsnachfolge in das Versicherungsvertragsverhältnis eingetreten war (Bl. 26, 27 d.A.), zahlte eine Entschädigung von 71.294,09 EUR. Weitergehende Zahlungen lehnte sie mit der Begründung, das Gebäude sei unterversichert gewesen, ab. Den Differenzbetrag von 22.567,53 EUR beansprucht der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit.
Der Kläger hat behauptet, die Unterversicherung sei allein von der Beklagten zu verantworten, weswegen diese auf jeden Fall zur Leistung verpflichtet sei. Der Vertragsabschluss habe auf der Tätigkeit eines Versicherungsagenten der Beklagten, des Zeugen F.W., basiert. Dieser sei zu diesem Zweck an den Architekten des Gesamtprojekts, Herrn Sch, herangetreten. Er selbst habe - was zwischen den Parteien unstreitig ist - nie persönlichen Kontakt zu dem Versicherungsagenten gehabt. Dieser habe lediglich schriftlich von ihm die Bausumme erfragt, um ein Angebot erstellen zu können. Er hat die Ansicht vertreten, die Zeugen F. und K.W. hätten bei der Festlegung der Versicherungssumme auch berücksichtigen müssen, dass die Bausumme Nebenkosten für Abriss und Entsorgung nicht enthalte und die Wiederherstellung eines einzelnen Gebäudes deutlich höherer Kosten verursache, als die (anteilige) Errichtung einer ganzen Häuserzeile.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.567,53 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, der Bauherr des Gesamtprojekts, Herr Be., sei Anfang des Jahres 2002 an den Zeugen F.W. herangetreten und habe diesen um die Erstellung eines Angebots für eine Gebäudeversicherung für die einzelnen Gebäude des Gesamtprojekts gebeten. Hierfür habe der Bauherr Be dem Zeugen F.W. eine Liste der einzelnen Hauseigentümer übergeben. Bei jedem Hauseigentümer sei die Versicherungssumme des betreffenden Gebäudes vermerkt gewesen. Nach Angaben des Herrn Be seien diese durch den Architekten des Gesamtprojekts Sch errechnet worden. Auf der Grundlage der vorgelegten Zahlen habe der Versicherungsagent F.W. sodann das erwünschte Angebot erstellt. Nach Prüfung des Angebots durch Herrn Be. habe dieser vorgeschlagen, die einzelnen Anträge auszufüllen und den Eigentümern mit der Bitte zur Unterzeichnung zukommen...