Leitsatz (amtlich)
Soweit ein Unfallversicherer im Einzelfall nach Treu und Glauben zu einer zusätzlichen (erläuternden) Belehrung über die zu wahrenden Fristen gehalten sein kann, wenn der Versicherungsnehmer trotz eines Hinweises nach § 186 VVG im Unklaren ist, was von ihm zur Geltendmachung seiner Ansprüche zu veranlassen ist, erfordert sein - nur in Ausnahmefällen anzunehmendes - rechtsmissbräuchliches Verhalten auch hier, dass die dem Versicherer vor Ablauf der maßgeblichen Frist zugänglichen ärztlichen Unterlagen den Eintritt eines Dauerschadens als Unfallfolge nahelegten (Klarstellung zu Senat, Urteile vom 5. August 2022 - 5 U 97/20, VersR 2022, 1362 und vom 27. April 2016 - 5 U 36/15, RuS 2017, 370).
Normenkette
AUB Nr. 2.1.1.2, Nr. 12.1; BGB § 242; VVG § 186
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 27.03.2023; Aktenzeichen 14 O 142/22) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 27. März 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 142/22 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer Unfallversicherung wegen eines vermeintlichen Unfallereignisses vom 5. August 2019. Der Kläger war damals versicherte Person eines von der Mutter des Klägers, der Zeugin C. (vormals G.) bei der Beklagten unterhaltenen privaten Unfallversicherungsvertrages (Versicherungsschein Nr. xxx vom 30. September 2016, Bl. 6 GA) mit dem Leistungsumfang "Comfort Plus" (Invalidität mit Progression 225 %, Grundsumme 30.000,- Euro, Vollinvalidität 67.500,- Euro, Todesfallsumme 10.000,- Euro); später ausgefertigte Versicherungsscheine Nr. xxx und - xxx vom 4. und 10. September 2019 (Bl. 4, 8 GA) weisen den Kläger als Versicherungsnehmer und versicherte Person aus und enthalten z.T. verbesserte Leistungen. Bestandteil des Vertrages sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (Debeka-AUB 2016, Anlage B 1). Der Kläger begab sich am 6. August 2019 in ärztliche Behandlung wegen geklagter Beschwerden am linken Knie. Am 22. Oktober 2019 wurde er durch Herrn Dr. M., Dillingen, operiert (Operationsbericht Bl. 14 GA), in den Folgejahren erfolgten weitere Operationen. Der Kläger meldete Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag bei der Beklagten an, wobei er dieser zunächst telefonisch mitteilte, dass sein Kreuzband und sein Innenmeniskus gerissen seien und dass er ein Schadendatum nicht genau benennen könne. In einer schriftlichen Unfallschadensanzeige vom 11. Dezember 2019 (Anlage B 2), die von einem Versicherungsvertreter der Beklagten ausgefüllt und vom Kläger unterschrieben wurde, gab der Kläger an, dass er Verletzungen am Innen- und Außenmeniskus und einen Kreuzbandriss erlitten habe; weiter heißt es unter dem Punkt "Unfallschilderung": "Es ist nicht bekannt, ob es beim Sport oder der Arbeit aufgetreten ist, da nach Arbeitstag und Sport ein seltsames Gefühl im Knie war." Unter dem Punkt "Wurde der Unfall durch einen äußeren Einfluss (z.B. Stein, Bodenunebenheit, schadhafte Treppe / Bürgersteig, Glatteis o.ä.) herbeigeführt?" heißt es: "Lauf für Aufbautraining im Dillinger Wald." Am Ende der Schadensanzeige findet sich eine Schlusserklärung, wonach der Kläger mit seiner Unterschrift den Erhalt insbesondere des Informationsblattes "Wichtige Hinweise für die Unfallversicherung", in dem er über die Anspruchsvoraussetzungen und Fristen für eine Invaliditätsleistung informiert wurde, bestätigte. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2019 (Anlage B 4) lehnte die Beklagte ihre Einstandspflicht ab, weil nicht nachvollziehbar sei, wie sich ein Schaden überhaupt ereignet habe und ein versichertes Unfallereignis nicht erkennbar sei. Der Kläger übersandte der Beklagten medizinische Unterlagen, darunter den vorgenannten Operationsbericht, und ließ die Beklagte über seinen Prozessbevollmächtigten wiederholt erfolglos auffordern, ihre Einstandspflicht anzuerkennen.
Der Kläger hat am 7. Juni 2022 Klage auf Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Unfallversicherungsvertrag für eine Verletzung anlässlich eines Lauftrainings im Dillinger Wald vom August 2019 erhoben. Er hat behauptet, er sei bei einem Aufbautraining im Rahmen eines Laufs durch den Wald in Dillingen am 5. August 2019 bei einer schnellen Ausweichbewegung einer auf dem Weg liegenden Tüte ausgewichen, später habe er ein seltsames Gefühl im Knie verspürt und sich in ärztliche Behandlung begeben. Infolge dieses Ereignisses habe er eine komplexe Läsion des Innenmeniskus mit horizontaler und vertikaler Risskomponente erlitten, an deren Folgen er immer noch leide. Entgegen der ursprünglichen Erwartung könne aktuell auch davon ausgegangen werden, dass es sich um eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähi...