Leitsatz (amtlich)
1. Nach einem Straßenverkehrsunfall ist für die Anmeldung von Ansprüchen des
Geschädigten gegenüber seinem privaten Unfallversicherer die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe im Allgemeinen nicht erforderlich, wenn der Geschädigte auf Grund der Unfallfolgen nicht am Verfassen eines Schriftstücks bzw. Ausfüllen eines Fragebogens gehindert ist.
2. Darf der Geschädigte in Bezug auf seinen (beabsichtigten) Klageantrag uneingeschränkt Feststellung beantragen, welche sämtliche Verletzungen und Verletzungsfolgen (Schmerzensgeld, Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden) abdeckt, so ist er nicht gehalten, allein zur Ermittlung des für seine Rechtsverfolgungskosten maßgeblichen Gegenstandswerts seine Schadenspositionen zu beziffern und näher zu begründen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 8 O 6/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers und unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 12.01.2017 (Aktenzeichen 8 O 6/16) teilweise abgeändert und in der Hauptsache wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.502,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2014 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 25 v. H. und die Beklagte zu 75 v. H.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger macht gegenüber der Beklagten als gegnerischem KraftfahrtHaftpflichtversicherer Schadensersatzansprüche wegen außergerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren geltend. Der Kläger hatte am 17.05.2012 in Bous einen Verkehrsunfall erlitten und die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 18.08.2012 auffordern lassen, die Haftung dem Grunde nach zu 100 v. H. anzuerkennen. Nachdem die Beklagte darauf nicht reagiert hatte, telefonierte der Anwalt des Klägers am 19.02.2013 mit dem Sachbearbeiter der Beklagten. Es wurde unter anderem vereinbart, dass vorläufig ein Haftungsanerkenntnis in Höhe von 70 v. H. ergeht und wegen der restlichen Quote das Ergebnis der Entscheidung in einem Parallelverfahren zu Grunde gelegt wird. Im Gegenzug erklärte sich der Kläger damit einverstanden, von einer Klageerhebung Abstand zu nehmen. Mit Schreiben vom 26.02.2013 bestätigte die Beklagte ihre Einstandspflicht dem Grunde nach in Höhe von 70 v. H. Nachdem die Haftung der Beklagten im Parallelverfahren zu 100 v. H. rechtskräftig festgestellt worden war, erkannte die Beklagte mit Schreiben vom 03.09.2014 die Haftung dem Grunde nach zu 100 v. H. an. Die Anwälte des Klägers übersandten der Beklagten die auf einem Gegenstandswert von 80.000 EUR aufbauende Liquidation vom 18.11.2014 über 5.259,80 EUR und forderten die Beklagte mit weiterem Schreiben vom 18.12.2014 zur Zahlung unter Fristsetzung bis zum 23.12.2014 auf. Mit Schreiben vom 03.06.2015 forderten die Anwälte des Klägers die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 15.06.2015 zum Ausgleich einer Kostennote über 729,23 EUR wegen der Anspruchsanmeldung gegenüber dem eigenen Unfallversicherer auf.
Der Kläger hat vorgetragen, der in der Liquidation vom 18.11.2014 angesetzte Streitwert von 80.000 EUR, d. h. 100.000 EUR vermindert um einen Abschlag von 20 v. H. für den Feststellungsanspruch gegenüber einem Leistungsanspruch, sei unter Berücksichtigung des zu erwartenden Verdienstausfalls und des auf Grund des eingetretenen Dauerschadens zu erwartenden Schmerzensgeldes und des Haushaltsführungsschadens sowie weiterer Schadenspositionen nicht zu beanstanden. Am 15.12.2012 habe der Kläger einen unbedingten Klageauftrag erteilt, nachdem am 28.09.2012 die Rechtsschutzversicherung Deckungszusage für die Feststellungsklage erteilt gehabt habe. Die einzelnen Gebührentatbestände seien erfüllt. Ferner ist der Kläger der Auffassung, die durch die Anspruchsanmeldung beim privaten Unfallversicherer entstandenen Anwaltskosten stellten eine adäquate Folge des Schadensereignisses dar. Dazu behauptet er, im Zeitpunkt der Anspruchsanmeldung sei er nicht in der Lage gewesen, dies selbst zu tun, weil es ihm an notwendigem Fachwissen gefehlt habe bzw. er stationär behandelt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.259,80 EUR nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2014 zu zahlen und
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 729,33 EUR nebst Zinsen
in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2015 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat den Streitwert von 80.000 EUR für nicht nachvollziehbar gehalten. Im Rahmen des Schadensersatzes schulde die Beklagte nicht Rechtsanwaltsgebühren nach einem Streitwert, den sich der Kläger als berechtigte Forderung vorstelle, sondern lediglich nach dem Erledigungswert. Eine Einigungsgebühr sei nicht angefallen, weil die Parteien sich nicht grundsätzlich verständigt hätt...