Leitsatz (amtlich)
1. Zur Eintrittspflicht des Privathaftpflichtversicherers wegen Baumfällarbeiten zwecks künftiger Nutzung einer derzeit stillgelegten Eissporthalle.
2. Angesichts der grundsätzlichen Einstandspflicht des Privathaftpflichtversicherers für alle Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und der Notwendigkeit, dem Versicherungsnehmer bestehende Lücken im Versicherungsschutz hinreichend zu verdeutlichen, dürfte einiges dafür sprechen, auch die in neueren Bedingungen als negative Tatbestandsmerkmale formulierten Ausnahmen für Beruf und Gewerbe als - in die Leistungsbeschreibung gekleidete - Risikoausschlüsse anzusehen
Normenkette
AHB Ziff. 1.1; AHB Ziff. 7.1; PrHPflVBB Ziff. 1; VVG §§ 100, 103
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 11.04.2023; Aktenzeichen 14 O 18/22) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 11. April 2023 - 14 O 18/22 - abgeändert. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger wegen des von der Stadt D. gegen ihn aufgrund eines Schadenereignisses vom 25. Februar 2021 erhobenen Schadenersatzanspruchs in Höhe von 13.254,35 Euro aus dem Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. ... bedingungsgemäß Versicherungsschutz zu gewähren.
II. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.603,20 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Privathaftpflichtversicherung, der Allgemeine Haftpflichtversicherungsbedingungen der Beklagten (AHB 2012, im folgenden AHB; Anlage K 13 im Anlagenband Kläger) und die Risikobeschreibungen und Besonderen Bedingungen zur Privathaftpflichtversicherung (RBE privat 2016, im folgenden RBE; Anlage K 2 im Anlagenband Kläger) zugrundeliegen. Nach Ziff. I. RBE ist versichert die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson und nicht aus den Gefahren eines Betriebs oder Berufs. Nicht versichert ist gemäß Ziff. I.1. RBE die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers aus den Gefahren einer nebenberuflichen Tätigkeit mit Ausnahme der in Ziffer II.3 und Ziffer XIV. RBE aufgeführten Tätigkeiten (Ziff. I.1.1. RBE), aus den Gefahren eines Diensts, Amts, einer verantwortlichen Betätigung in Vereinigungen aller Art (Ziff. I.1.2. RBE) und aus einer ungewöhnlichen und gefährlichen Beschäftigung (Ziff. I.1.3. RBE).
Der Kläger ist Eigentümer der von ihm erworbenen ehemaligen Eissporthalle in D. in der K.. Da er das Dach des Gebäudes sanieren lassen wollte, fand am 18. Februar 2021 ein Ortstermin mit Mitarbeitern der Stadtgärtnerei D. statt, um abzuklären, welche Bäume im Umfeld des Gebäudes gefällt werden dürfen. Am 25. Februar 2021 gab der Kläger Baumfällarbeiten in Auftrag, die noch am selben Tag durchgeführt wurden. Gefällt wurden dabei auch mehrere Bäume auf an das klägerische Grundstück angrenzenden Grundstücken der Stadt D., die mithin in deren Eigentum standen. Deshalb wird der Kläger seitens der Stadt D. auf Schadensersatz in Höhe von 13.254,35 Euro in Anspruch genommen.
Mit der Klage begehrt der Kläger Versicherungsschutz wegen des gegen ihn geltend gemachten Haftpflichtanspruchs. Er hat behauptet, durch den Ortstermin habe er gerade die Situation verhindern wollen, die nunmehr eingetreten sei. Bei dem Termin seien ihm die Grundstücksgrenzen gezeigt und ihm mitgeteilt worden, dass er alle Bäume mit einem Durchmesser unter einem Meter fällen dürfe.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte ihm aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Haftpflichtversicherungsvertrag Nr. ... Versicherungsschutz wegen aller Haftpflichtforderungen der Stadt D. gegen ihn im Zusammenhang mit der Durchführung von Baumfällarbeiten am 25.02.2021 im Bereich der ehemaligen Eissporthalle in 66763 D., K., auf den Parzellen der Stadt D. zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat sich auf Leistungsfreiheit wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Schadens (§ 103 VVG) berufen.
Mit dem am 11. April 2023 verkündeten Urteil hat das Landgericht Saarbrücken die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Haftpflicht des Klägers rühre nicht aus den allein versicherten Gefahren des täglichen Lebens als Privatperson her; vielmehr seien die Bäume gefällt worden, um das Dach der Eissporthalle, die der Kläger wieder in Betrieb nehmen wolle, zu sanieren. Damit hätten die entsprechenden Arbeiten dazu gedient, eine gewerbliche Tätigkeit vorzubereiten.
Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils Bezug.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen erstinstanzlichen Anspruch weiterverfolgt. Er meint, ein Zusammenhang mit einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit bestehe nicht alleine deshalb, weil er beabsichtige, die Eissporthalle in Zukunft erneut zu eröffn...