Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Unfallversicherungsschutz für alkoholbedingten Verkehrsunfall
Leitsatz (amtlich)
Sieht eine "Erweiterte Alkoholklausel" vor, dass Unfälle infolge von Trunkenheit mitversichert sind, "bei Fahren von Kraftfahrzeugen" Versicherungsschutz jedoch nur bis 1,3 Promille, gewährt wird, so genießt eine versicherte Person keine Deckung, wenn sie mit 1,5 Promille mit ihrem Kraftfahrzeug mit der Leitplanke einer BAB kollidiert ist und verletzt wurde und danach nach Verlassen des Wagens von einem anderen Kraftfahrzeug erfasst wurde und schwere gesundheitliche Schäden erlitt.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 21.04.2008; Aktenzeichen 14 O 277/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das am 21.4.2008 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - Az.: 14 O 277/07 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 106.175 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Unfallversicherungsvertrag geltend infolge eines Verkehrsunfalls vom 19.12.2006. Sie unterhielt bei der Beklagten eine private Unfallversicherung (Vers.-Nr. 111111111111, Bl. 17 d.A.), zu deren versicherten Personen ihr Sohn gehörte (Bl. 20 d.A.). Dem Vertrag lagen - u.a. - die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten mit Top-Deckung (AUB 94) zugrunde (Bl. 24 d.A.).
In § 2 AUB 94 (Bl. 24 d.A.) heißt es:
"Nicht unter den Versicherungsschutz fallen:
(1) Unfälle durch Geistes- oder Bewusstseinsstörungen, auch soweit diese auf Trunkenheit beruhen [...]"
Hierauf folgt unter "Zu § 2 I. (1)" eine Ergänzung mit einer "Erweiterte[n] Alkoholklausel". Danach sind
"[in] Abänderung des § 2 I. (1) AUB 94 [...] auch Unfälle infolge von Bewusstseinsstörungen, soweit diese durch Trunkenheit verursacht sind, mitversichert. Bei Führen von Kraftfahrzeugen wird Versicherungsschutz jedoch nur bis 1,3 Promille gewährt."
Am 19.12.2006 befuhr der Sohn der Klägerin mit dem Pkw Renault, amtliches Kennzeichen XXXXXXXXXX, die BAB 20, aus Rostock kommend, in Richtung Wismar. Zwischen 4:00 Uhr und 4:20 Uhr morgens kam er - nicht angeschnallt und mit einer Geschwindigkeit von 160 Stundenkilometern (Schriftsatz der Beklagten vom 8.1.2008, Bl. 71 d.A.) - an der Ausfahrt Wismar Mitte nach rechts von der befestigten Fahrbahn ab, streifte mit der rechten Fahrzeugseite den Absenker der rechten Leitplanke und kollidierte mit einem Leitpfosten. Anschließend lenkte er den Pkw auf die befestigte Fahrbahn zurück, überquerte dabei die Fahrbahnmitte sowie die Überholspur und stieß mit der linken Fahrzeugseite mehrmals gegen die Mittelleitplanke. Das Fahrzeug kam nach circa 300 m mit wirtschaftlichem Totalschaden zum Stehen (s. S. 2 des von der Klägerin in Ablichtung zur Akte gereichten rechtsmedizinischen Gutachtens, Bl. 32 d.A.). Es stand mit der Fahrertür, deren Fenster zerstört war, "press" an der Leitplanke. Der Beifahrer-Airbag war ausgelöst, die Beifahrertür verschlossen (S. 1 und 2 des Schriftsatzes der Bekl. v. 8.1.2008, Bl. 71/72 d.A.). Gegen 4:20 Uhr wurde der Versicherte schwerst verletzt auf der ca. 120 m vom Fahrzeug entfernten Autobahnausfahrt Wismar Mitte aufgefunden, in das Universitätsklinikum Sch. nach L. verbracht und dort intensivmedizinisch versorgt. Unter anderem war der Weichteilmantel seines rechten Oberarms vollständig zerstört. Eine gegen 6:30 Uhr entnommene Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille. Das von der Staatsanwaltschaft Schwerin (Az. 245 Js 34769/06) eingeholte rechtsmedizinische Gutachten des Universitätsklinikums Sch. gelangte zu dem Ergebnis, es erscheine "als unwahrscheinlich, dass die bei Herrn W. festgestellten frischen Verletzungen durch das Herausschleudern aus seinem Pkw verursacht worden" seien. Vielmehr sei "davon auszugehen, dass der Körper von Herrn W. unter ein Fahrzeug geraten und mitgeschleift worden" sei (Bl. 44 d.A.). Der Versicherte hat an das Geschehen keine Erinnerung.
Die Beklagte lehnte die Erbringung von Versicherungsleistungen mit Schreiben vom 20.4.2007 ab (Bl. 57 d.A.) und berief sich darauf, dass eine Zahlungspflicht bei einem Blutalkoholwert über 1,3 Promille nicht bestehe.
Die Klägerin hat behauptet, ihr Sohn habe sich die Armverletzungen durch ein weiteres zweites Unfallgeschehen nach dem ersten Unfall zugezogen. Im Hinblick darauf dass - unstreitig - im Fahrzeuginneren und auch an den Anstoßstellen der Mittelleitplanke keine Blutspuren oder Gewebsteile vorhanden gewesen seien, sei davon auszugehen, dass der Körper unter ein Fahrzeug geraten und mitgeschleift worden sei (Bl. 13 d.A.). Es sei anzunehmen, dass ihr Sohn sein Fahrzeug weitgehend unverletzt verlassen habe, sich sodann über die Autobahn in Richtung der Ausfahrt fort...