Leitsatz (amtlich)
Wird im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung nach der VOL/A der Zuschlag nicht fristgerecht erteilt und erteilt der Ausschreibende später Einzelaufträge zu höheren Einzelpreisen, so kann er von den Lieferanten nicht Rückzahlung vermeintlicher Überzahlungen verlangen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 30.12.2004; Aktenzeichen 10 O 217/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.12.2004 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (10 O 217/03) abgeändert und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Rückzahlung behaupteter Überzahlungen.
Die Beklagte, welche schon vorher in Geschäftsbeziehung zu dem Kläger gestanden hatte, nahm mit Angebot vom 15.5.1998 (Bl. 36 d.A.) an der öffentlichen Ausschreibung des Klägers vom 27.4.1998 bezüglich der Vergabe der Lieferung und Entsorgung von sog. Küvettentests teil (Bl. 3 u. 249 d.A.). Sie erhielt mit Schreiben des Klägers vom 27.7.1998 (Bl. 6 u. 39 d.A.) den Auftrag (Zuschlag) auf der Grundlage ihres Angebots, welches konkrete Einheitspreise enthielt (vgl. im Einzelnen: Bl. 249 d.A.). Die Einheitspreise differierten zu den früher zwischen den Parteien auf Grund Leistungsverzeichnisses der Beklagten vom 10.1.1997 vereinbarten Einheitspreisen (Bl. 249 d.A.).
Der Bitte des Klägers, ein Exemplar des Vertrages unterschrieben zurückzusenden, kam die Beklagte nicht nach. Sie belieferte den Kläger jedoch in der Folgezeit mit Materialien, welche der Kläger mittels mit "Auftrag" überschriebenen Formularen, die das der Beklagten zugeordnete Aktenzeichen trugen, bestellte (Bl. 249 d.A.).
In diesen "Aufträgen" setzte der Kläger bei verschiedenen Reagenzien nicht die Angebotspreise der Beklagten, sondern - im Rahmen der EDV-Bearbeitung - höhere Einzelpreise ein. Die Beklagte ihrerseits übernahm in ihren Rechnungen diese höheren Preise, welche der Kläger auch über Jahre hinweg bezahlte (Bl. 249 d.A.).
Mit Schreiben vom 22.2.2001 (Bl. 58 d.A.), welches ausdrücklich auf den Ausschreibungsauftrag vom 27.7.1998 mit der Nummer Bezug nahm, teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:
"Die Preiserhöhung vom 1.4.2001 von den Küvettentests kommt nicht zum tragen, da o.g. Vertrag bis 31.7.2001 gültig ist.
Wir haben durchgesetzt, dass die Preiserhöhung vom 1.4.2002 nicht zur Anwendung kommt und wir können somit den Vertrag (einschl. Verpflichtungen von 1-4) bis 31.12.2002 verlängern.
Wir hoffen, somit im Interesse des E.S. entsprochen zu haben."
Mitte 2001 stellte der Kläger die Abweichung der Angebotspreise von den berechneten und bezahlten Preisen fest. Mit Schreiben vom 30.7.2001 (Bl. 59 d.A.) bestätigte die Beklagte, dass verschiedene Tests "über einen längeren Zeitraum mit anderen Preisen beauftragt wurden", und führte weiter aus:
"Wir sind freiwillig bereit, bei Verlängerung der Reagenzienaufträge bzw. Neuerteilung von Reagenzienaufträgen die Differenzen zu verrechnen.
Dies kann bei Verlängerungsaufträgen z.B. mit anderem Zahlungsziel u. höherem Skonto mit unserem Einverständnis geschehen.
Wir hoffen, dass Sie unseren Vorschlag annehmen und sichern Ihnen schon jetzt eine sorgfältige Auftragsausführung zu."
In der Folgezeit kam es zu Verhandlungen der Parteien, welche in einen außergerichtlichen "Vergleich" vom 23./31.1.2002 mündeten (Bl. 3 d.A.), bezüglich dessen Inhalts auf die Akten Bezug genommen wird (vgl. Bl. 8f d.A.).
Im Jahre 1999 machte die Beklagte durch Verkäufe an den Kläger noch einen Umsatz von 338.715 DM, was über dem nach dem Auftrag vom 27.7.1998 für drei Jahre vorgesehenen Gesamtumsatz von 242.298,19 DM lag. Der Umsatz lag im Jahre 2001 bei rund 210.000 EUR, im Jahre 2002 bei rund 160.000 EUR und im Jahre 2003 bei noch rund 10.000 EUR.
Der Kläger berief sich mit Schreiben vom 21.3.2002 (Bl. 16 d.A.) auf diesen Umsatzrückgang und verlangte von der Beklagten bis zum 30.4.2003 Rückzahlung von 53.803,32 EUR, weil der Vergleich mit den dort vorgesehenen Modalitäten seitens der Beklagten nicht mehr zu erfüllen, die Grundlage des Vergleichs entfallen und der gesamte noch offenstehende Betrag jetzt zu zahlen sei.
Da die Beklagte trotz anwaltlicher Aufforderung (Bl. 19 d.A.) nicht zahlte, hat der Kläger Klage erhoben wegen einer Hauptforderung von 52.182,26 EUR nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.4.2003 (Bl. 4 d.A.), wobei der Kläger die Hauptforderung in der Weise ermittelt hat, dass er eine Forderung von 58.799 EUR (= 115.000 DM) zugrunde gelegt und mit dieser teilweise gegen Forderungen der Beklagten aus weiteren Lieferungen aufgerechnet hat (Bl. 3f u. 13 d.A.).
Der Kläger hat die Klage im Hinblick auf weitere Aufrechn...