Entscheidungsstichwort (Thema)
Miete und Pacht: Verwirkung der Gewährleistungsansprüche und des Kündigungsrechts
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Mieter/Pächter verliert die Gewährleistungsrechte aus BGB § 542, wenn er, ohne Beanstandungen zu erheben, den Vertrag trotz Kenntnis der Mängel fortsetzt.
2. Einem Mieter/Pächter ist eine fristlose Kündigung nach BGB § 542 verwehrt, wenn er nach Verstreichen der Abhilfefrist mit der Kündigungserklärung mehr als drei Monate wartet.
Normenkette
BGB §§ 242, 581 Abs. 2, §§ 539, 542 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 16.10.1997; Aktenzeichen 15 O 82/97) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 16. Oktober 1997 verkündete Urteil des Landgerichts in Saarbrücken – 15 O 82/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Beklagten und der Streitwert des Berufungsverfahrens werden auf jeweils 33.426,40 DM festgesetzt.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO abgesehen.
Gründe
Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten ist zulässig, bleibt aber aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung in der Sache ohne Erfolg.
1. Mit überzeugender Begründung ist das Landgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die für eine fristlose Kündigung der Beklagten allein in Betracht kommenden Voraussetzungen des § 542 Abs. 1 BGB nicht eingreifen.
a) Ein Pächter verliert die ihm wegen Mängel zustehenden Rechte aus § 542 BGB, wenn er, ohne Beanstandungen zu erheben, den Vertrag trotz Kenntnis der Mängel fortsetzt. Dies folgt aus §§ 543, 539 BGB (BGH, WM 1967, 515, 517; Soergel/Heintzmann, BGB, 12. Aufl., § 542 Rn. 15).
Die Beklagte hat vorgetragen, dass sämtliche Mängel schon bei ihrem Eintritt in das Mietverhältnis am 25. Februar 1992 vorlagen (Bl. 62 a d.A.). Erstmals habe der Kläger im Jahre 1993 bei einem Gespräch im Hotel „Schwan” eine Mängelbeseitigung zugesagt (Bl. 103 d.A.). Mithin hat die Beklagte zunächst die Mängel beanstandungsfrei hingenommen. Folglich kann sie daraus keine Rechte mehr geltend machen.
b) Unbeschadet der vorstehenden Ausführungen ist der Beklagten die fristlose Kündigung zumindest verwehrt, weil sie die im Rahmen des § 542 Abs. 1 BGB zu wahrende Erklärungsfrist nicht eingehalten hat.
aa) Ist die dem Vermieter gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung abgelaufen, so muss der Mieter alsbald Klarheit schaffen, ob er zur Kündigung schreitet oder nicht (Soergel/Heintzmann a.a.O., § 542 Rn. 12). Das Kündigungsrecht des Mieters aus § 542 BGB wird verwirkt, sofern er nicht binnen eines angemessenen Zeitraums von etwa einem Monat die Kündigung ausspricht (BGH, WM 1967, 515, 517).
bb) Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass der Kläger letztmals im Mai/Juni 1996 (Bl. 106 d.A.) eine Mängelbeseitigung zugesagt hat. Spätestens ab diesem Zeitpunkt lief die Erklärungsfrist der Beklagten zur fristlosen Beendigung des Mietvertrages. Gleichwohl hat die Beklagte das Mietverhältnis erst durch Schreiben vom 29. Oktober 1996 gekündigt. Wegen des zwischenzeitlich verstrichenen Zeitraums von mehr als vier Monaten war das Kündigungsrecht indes verwirkt. Selbst wenn man abweichend vom Bundesgerichtshof die Erklärungsfrist nicht mit einem Monat bemißt, sondern auf zwei bis drei Monate ausdehnt (Staudinger/Emmerich, BGB, 13. Bearb., § 542 Rn. 41), war ein der Beklagten einzuräumender Überlegungszeitraum jedenfalls Ende September 1996 abgelaufen.
2. Unbehelflich ist schließlich das zweitinstanzliche Vorbringen der Beklagten, wonach sie wegen der behaupteten Mängel zur Mietzinsminderung auf 0,– DM berechtigt sei (§ 537 BGB).
a) Mit den geltend gemachten Mietmängeln kann die Beklagte schon nach § 539 BGB nicht durchdringen, weil ihr diese Mängel bei Übernahme der Mietsache im Februar 1992 bekannt waren. Insoweit gelten die selben Erwägungen wie für den Ausschluß des Kündigungsrechts aus § 542 BGB.
b) Darüberhinaus kann die Beklagte mit diesem Sachvortrag nach § 528 Abs. 2 ZPO nicht mehr gehört werden. Nach dieser Vorschrift sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Berufungsrechtszug nur zuzulassen, wenn ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hat.
Die Zulassung der neuen Verteidigungsmittel würde eine Verzögerung des Rechtsstreits bedingen, weil aufgrund der benannten Zeugen eine umfangreiche Beweisaufnahme und außerdem eine Augenscheinseinnahme vor Ort durchzuführen wäre. Im übrigen ist der Beklagten eine grobe Nachlässigkeit anzulasten, weil sie durch die Verfügung des Landgerichts vom 7. August 1997 auf Bedenken gegen die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung hingewiesen wurde (Bl. 40 d.A.), sich gleichwohl aber nicht auf eine Mietzinsminderung berufen hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 A...