Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Direktunterrichtsvertrag über eine Ausbildung zur „ psychologischen Beraterin” verstößt eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Laufzeitklausel, durch die bei einer Gesamtlaufzeit von 18 Monaten die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung für zwölf Monate ausgeschlossen wird, gegen § 9 AGBG. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das unterrichtende Unternehmen Verträge mit Auszubildenden abschließt, die im Hinblick auf das Ausbildungsziel vergleichsweise geringe bzw. unzureichende schulische Qualifikationen aufweisen.
2. Anstelle der unwirksamen Laufzeitklausel ist dem Auszubildenden im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ein Kündigungsrecht zum Ende des sechsten Monats der Vertragslaufzeit einzuräumen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 12.03.2003; Aktenzeichen 12 O 243/02) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12.3.2003 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (12 O 243/02) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
„Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.888,37 Euro nebst 12 % Zinsen hieraus seit dem 18.1.2002 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.”
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 63 % und die Beklagte zu 37 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 72 % und die Beklagte zu 28 %.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Zahlung einer Unterrichtsvergütung.
Am 29.6.2001 unterzeichnete die Beklagte ein als „Anmeldung Studienziel Psychologische Beraterin” überschriebenes vorformuliertes Vertragswerk (Bl. 16 d.A.). Nach dem Inhalt dieses Vertrages sollte die Klägerin die Beklagte gegen eine Kursgebühr von 6.990,38 Euro zur „Psychologischen Beraterin” ausbilden (Bl. 15 d.A.). Aus den verschiedenen Unterrichtsmöglichkeiten wählte die Beklagte die im Abendstudium durchzuführenden Alternativen (Bl. 18 d.A.):
„Teil I + II Komplettbelegung”, 18 Monate, Ratenzahlung von 20 × 554 DM und
„Zusatzmodul Prüfungsvorbereitung”, 12 Monate, Ratenzahlung von 12 × 216 DM.
Der Vertrag enthielt auf der letzten Seite eine sog. „Studienordnung” (Bl. 20 d.A.). In dieser heißt es u.a.:
„… Kündigung: In den ersten 12 Monaten der Studienzeit ist die Kündigung für beide Seiten beschränkt auf die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund. Danach kann jede Seite mit einer Frist von 6 Wochen jeweils zum Trimesterende (Ende des vollen Kalenderdritteljahres) ordentlich kündigen …”
Als Studienbeginn wurde der 8.8.2001 vereinbart (Bl. 17 d.A.). Nach Ablauf von 18 Monaten sollte eine Prüfung stattfinden. Nach der Studienordnung sollten darüber hinaus der 14 Monate dauernde Teil II spätestens 4 Monate nach Studienbeginn von Teil I und Teil III spätestens 6 Monate nach Studienbeginn belegt werden (Bl. 20 d.A.). Die Zahlung des Zusatzmoduls sollte auf Grund einer individuellen Vereinbarung ab Abschluss der Teile I und II beginnen (Bl. 19 d.A.).
Mit Schreiben vom 28.8.2001 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis (Bl. 28 d.A.).
Mit Schreiben vom 7.1.2002 mahnte die Klägerin die Beklagte unter Fristsetzung zum 17.1.2002 zur Zahlung noch offenstehender 5.102,01 Euro für 12 Monate Unterricht (Bl. 15 d.A.).
Die Klägerin nimmt einen jederzeit rückzahlbaren Bankkredit von mindestens der Klageforderung in Anspruch, für den sie 12 % Zinsen zu zahlen hat (Bl. 15 d.A.).
Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.102,01 Euro zzgl. Zinsen zu zahlen.
Das LG hat mit dem am 12.3.2003 verkündeten Urteil (Bl. 125 d.A.) die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 629,45 Euro nebst Zinsen zu zahlen, und i.Ü. die Klage abgewiesen. Das LG ist davon ausgegangen, dass die Beklagte den Vertrag wirksam zum Ablauf des 2. Studienmonats gekündigt habe. Da Teil III erst 6 Monate nach Studienbeginn habe beginnen sollen, habe die Beklagte die Vergütung für Teil I für die Monate August und September zu zahlen, also 1.231,10 DM (vgl. im Einzelnen Bl. 132 d.A.). Der Senat nimmt gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie beantragt, das Urteil abzuändern und ihrem erstinstanzlichen Klageantrag in vollem Umfang stattzugeben.
Die Klägerin ist der Auffassung, das LG habe materielles Recht fehlerhaft angewandt, indem es den Ausschluss einer ordentlichen Kündigung während der ersten 12 Monate des Vertrags gem. § 9 Abs. 1 AGBG für unwirksam gehalten habe und daher von einer Kündigungsmöglichkeit gem. § 621 Nr. 3 BGB ausgegangen sei (Bl. 150 d.A.). Die Entscheidung widerspreche der ganz herrschenden Rspr. des BGH und der OLG, wonach in einer derartigen Klausel keine unangemessene Benachteiligung zu sehen sei (Bl. 46 ff u. 150 f d.A.). Jedenfalls komme auch im Falle der Unwirksamkeit der Klausel nicht die gesetzliche Regelung des § 621 BGB zum Tragen, sondern es sei eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen (Bl. ...