Leitsatz (amtlich)

Der Winterdienst ist innerhalb der geschlossenen Ortslage nur an verkehrswichtigen und gefährlichen Stellen zu leisten. Die Demnach erforderliche Gefahrenlage ist nicht schon dann nachgewiesen, wenn eine Straße entlang eines Flussufers verläuft.

Vielmehr liegen die Voraussetzungen der Streupflicht erst dann vor, wenn der durchschnittliche Verkehrsteilnehmer die aus der besonderen Lage resultierenden winterlichen Risiken trotz Beachtung der im Winter zu fordernden gesteigerten Sorgfalt nicht beherrschen kann.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 17.03.2011; Aktenzeichen 4 O 436/10)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 17.3.2011 - Aktenzeichen 4 O 436/10 - wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Zwangsvollstreckung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.192,51 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die beklagte Stadt unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht auf Schadensersatz aus einem Unfall in Anspruch, der sich am 16.2.2010 in der Innenstadt von N. im Bereich des Verkehrskreisels K.-S.-Str./M. str./R. str. ereignete.

Der Kläger befuhr gegen 10:00 Uhr mit seinem Motorroller die S. str. aus W. kommend in Richtung Innenstadt. Hierbei geriet der Kläger auf der winterglatten Fahrbahn etwa in dem vor dem Kreisverkehr liegenden Kurvenbereich in Höhe des Parkhauses des Arbeitsamtsgebäudes zu Fall. Bei dem fraglichen Straßenbereich handelt es sich um eine Straße von besonderer Verkehrsbedeutung.

Der Kläger hat behauptet, Ursache des Unfalls sei allein die Winterglätte gewesen. Er habe zum Unfallzeitpunkt eine Geschwindigkeit von circa 30 km/h eingehalten und auch keine besonderen Fahrmanöver vorgenommen. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte ihre Räum- und Streupflicht verletzt habe. Die von der Beklagten vorgelegten Kontroll- und Streuberichte belegten nicht, dass der fragliche Bereich am Unfalltag auf Glätte kontrolliert und abgestreut worden sei, obwohl - dies ist unstreitig - das vorgelegte Wetterbuchblatt Temperaturen um den Gefrierpunkt ausgewiesen habe.

Hinsichtlich der Unfallfolgen hat der Kläger vorgetragen, dass er eine Tibiaimpressionsfraktur erlitten habe, die im S. Krankenhaus N. im Rahmen eines stationären Aufenthaltes vom 16. bis 26.2.2010 versorgt worden sei. Danach sei er bis zum 6.4.2010 ambulant ärztlich und physiotherapeutisch behandelt worden, bevor er sich vom 6.4. bis 11.5.2010 einer Reha-Maßnahme in W. 2. unterzogen habe. Aus dieser Maßnahme sei er weiterhin arbeitsunfähig entlassen worden und danach erneut ambulant ärztlich und physiotherapeutisch behandelt worden. Infolge der Verletzungen habe er seine Tätigkeit als Industriemechaniker/Betriebstechnik nicht mehr ausüben können und mittlerweile auch den Arbeitsplatz verloren. Er könne nur noch leichtere Tätigkeiten erledigen und müsse mit dem vorzeitigen Eintritt einer Arthrose rechnen.

Zum Ausgleich der erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen hat der Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 17.000 EUR für angemessen erachtet und darauf verwiesen, dass er wegen der Möglichkeit einer vorzeitigen Arthrose und der verbleibenden unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit mit dem Eintritt weiterer Schäden rechnen müsse.

Mit dem Klageantrag zu 2) hat der Kläger zunächst einen Verdienstausfall in einer Gesamthöhe von 2.016,44 EUR sowie weitere materielle Schäden geltend gemacht (S. 10 der Klageschrift), die die Beklagte i.H.v. 774,34 EUR, 121,73 EUR und 280 EUR unstreitig gestellt hat.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.12.2010 zu zahlen;

2. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an den Kläger 3.192,51 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.12.2010 zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 16.2.2010 in der Innenstadt von N., Verkehrsinsel K.-S.-Str./M. str./R. str. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger als Nebenforderung einen Betrag i.H.v. 1.023,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.12.2010 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat den Unfallhergang mit Nichtwissen be...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge