Leitsatz (amtlich)
Im Verkehrsunfallprozess sind weder der mit der Begutachtung des entstandenen Schadens beauftragte Sachverständige noch der Reparaturbetrieb hinsichtlich der Obliegenheiten zur Schadensminderung Erfüllungsgehilfen des Geschädigten. Der Geschädigte muss sich infolgedessen eine Pflichtverletzung des Reparaturbetriebs, die zu höheren Reparaturkosten führt, im Verhältnis zum Haftungsschuldner nicht zurechnen lassen. Dieser Einwendungsausschluss hat auch dann Bestand, wenn der Reparaturbetrieb durch Zession Gläubiger des Schadensersatzanspruchs geworden ist.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 01.03.2011; Aktenzeichen 14 O 79/10) |
Tenor
1. Unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels wird auf die Berufung der Klägerin der Beklagte unter Abänderung des Urteils des LG Saarbrücken vom 1.3.2011 - 14 O 79/10 - verurteilt, an die Klägerin weitere 7.184,31 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.1.2010 zu zahlen. Weiterhin wird der Beklagte verurteilt, an die Klägerin 555,60 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.5.2010 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits, mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der früheren Beklagten zu 1), die von der Klägerin zu tragen sind (deklaratorische Bestätigung des Beschlusses vom 5.10.2010).
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 7.184,31 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt das klagende Kfz-Handelsunternehmen aus abgetretenem Recht des geschädigten Verkehrsteilnehmers den Beklagten auf Erstattung restlicher Reparaturkosten in Anspruch.
Das Kraftfahrzeug des Zeugen L. (im Folgenden auch: Zedent) wurde am 10.9.2008 bei einem Verkehrsunfall beschädigt. Das alleinige Verschulden des Unfallgegners, der ein Fahrzeug steuerte, welches von der rumänischen Firma SC. Transilvania S. A., gehalten wurde, steht außer Streit.
Der Zedent beauftragte den Sachverständigen B. mit der Erstellung eines Schadensgutachtens. Dieser ermittelte in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.9.2008 die erforderlichen Reparaturkosten mit 10.603,94 EUR und bezifferte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 12.800 EUR. Am 21.11.2008 erteilte der Zedent der Klägerin den Auftrag, das Fahrzeug zu reparieren.
Nachdem das Fahrzeug zerlegt worden war, fiel den Mitarbeitern der Klägerin auf, dass der Schaden größer war, als zunächst vom Gutachter veranschlagt. Die Klägerin zog den Sachverständigen B. vor der weiteren Durchführung der Reparatur mit der Bitte um Nachbesichtigung hinzu, woraufhin der Sachverständige das Fahrzeug am folgenden Tag noch einmal in Augenschein nahm. Der Sachverständige erteilte trotz des Hinweises, dass sich die Reparaturkosten nicht unerheblich erhöhen würden, Reparaturfreigabe. Sodann setzte die Klägerin - dieser Sachverhalt steht im Berufungsrechtszug außer Streit - die Reparatur fort, ohne den Zedenten zuvor über die zu erwartende Kostensteigerung informiert zu haben.
Nach Abschluss der Reparatur beliefen sich die Kosten auf 18.423,46 EUR, die der Beklagte jedoch nur in Höhe des Wiederbeschaffungsaufwandes (Wiederbeschaffungswert 12.576,47 EUR abzgl. 1.500 EUR Restwert) beglich. Die Differenz ist Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits, nachdem der Zedent in der Abtretungserklärung vom 16.12.2009 "seine Forderung auf Reparaturkostenersatz aus dem Unfallereignis vom 10.9.2008 gegen den Schädiger und dessen Haftpflichtversicherung i.H.v. 7.507,63 EUR nebst Zinsen" an die Klägerin abtrat.
Die Klägerin hat beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.507,63 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.1.2010 zu zahlen;
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 638 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
3. hilfsweise:
a. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 7.507,63 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.1.2010 Zug um Zug gegen Abtretung eventueller Schadensersatzansprüche gegen den Sachverständigen C. B. zu zahlen;
b. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 638 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Dem ist der Beklagte entgegengetreten.
Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klägerin könne sich nicht auf ein Prognoserisiko berufen, da bereits vor Beginn der Reparatur erkannt worden sei, dass die Reparaturkosten die 130 % Grenze überstiegen. Daher sei zu Recht auf Totalschadensbasis abgerechnet worden.
Das LG hat der Klage unter Klageabweisung im Übrigen nur in Höhe eines Betrages von 323,32 EUR stattgegeben. Auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidung wird auch hinsichtlich der darin enthaltenen Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Kläger...