Leitsatz (amtlich)
1. Welchen Einfluss ein teilreparierter, abgrenzbarer Vorschaden auf den Wiederbeschaffungswert eines bestimmten Fahrzeugs hat, lässt sich nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung aller Umstände und in aller Regel nur mit Hilfe sachverständiger Beratung beantworten.
2. Im Einzelfall kann der nicht ausgeführte Teil der Vorschadensreparatur durch einen Abschlag vom Wiederbeschaffungswert in Höhe der (noch) erforderlichen Reparaturkosten einer freien Fachwerkstatt abgebildet werden, wenn Kraftfahrzeuge dieses Alters und dieser Laufleistung überwiegend nicht mehr in markengebundenen Vertragswerkstätten repariert werden.
3. Eine vom Geschädigten zu verantwortende Unbrauchbarkeit, die der Erstattungsfähigkeit der Kosten des von ihm eingeholten Privatgutachtens entgegensteht, liegt auch dann vor, wenn der Geschädigte ihm bekannte Vorschäden für irrelevant hält und deswegen nicht der erforderlichen gutachtlichen Beurteilung zugänglich macht.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 4 O 118/17) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 12.07.2018 (Aktenzeichen 4 O 118/17) teilweise abgeändert:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4.786 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2017 und vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.06.2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Beklagten als Gesamtschuldner zu 74 v. H. und die Klägerin zu 26 v. H. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten samtverbindlich zu 83 v. H. und die Klägerin zu 17 v. H.
IV. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 1 als Fahrer und die Beklagte zu 2 als Haftpflichtversicherer eines unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs auf Grund eines von dem Beklagten zu 1 allein verschuldeten Auffahrunfalls am 16.01.2017 auf der BAB 620 Richtungsfahrbahn Völklingen zwischen den Abfahrten Ostspange und Bismarckbrücke geltend. Der Pkw der Klägerin hatte zuvor bereits am 23.11.2015 einen Unfall erlitten. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 2 mit Anwaltsschreiben vom 23.01.2017 unter Fristsetzung zum 06.02.2017 ohne Erfolg zum Schadensersatz in Höhe von 6.499,84 EUR auf.
Die Klägerin hat Ersatz des Wiederbeschaffungsaufwands gemäß Gutachten des Sachverständigenbüros W. in S. in Höhe von 5.400 EUR, von Sachverständigenkosten in Höhe von 999,84 EUR und einer Kostenpauschale in Höhe von 25 EUR verlangt. Sie hat behauptet, ihr Pkw sei nach dem Unfall vom 23.11.2015 von ihrem Ehemann, dem Zeugen T. Z., in Eigenregie repariert worden. Soweit der Zeuge sich erinnern könne, habe er mindestens die im Schriftsatz der Klägerin vom 17.08.2017 bezeichneten Arbeiten (Bd. I Bl. 56 d. A.) ausgeführt. Danach sei das Fahrzeug bei der Firma c. vorgeführt worden, die bemängelt habe, dass Vorderachsträger, Lenkgetriebe und Scheinwerfer links nicht erneuert und die hintere linke Tür nicht lackiert worden seien. Selbst wenn es zutreffe, dass etwa der Scheinwerfer links nicht einwandfrei ausgetauscht worden sei, was die Klägerin bestreite, komme es nur darauf an, ob das Fahrzeug nach der Eigenreparatur noch solche Restunfallschäden aus dem im Jahre 2015 erlittenen Unfall aufweise, die den Wiederbeschaffungswert beeinflussen könnten. Das sei nicht der Fall, weshalb der Wiederbeschaffungswert 7.800 EUR betrage. Der Restwert von 2.400 EUR sei ebenfalls korrekt ermittelt worden, weil das Fahrzeug nur noch auf dem Privatmarkt gehandelt werde.
Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf die am 08.06.2017 zugestellte Klage beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin 6.424,84 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.02.2017 zu zahlen und
2. die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (08.06.2017) zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben den geltend gemachten Fahrzeugschaden in Höhe von 5.400 EUR bestritten und die Auffassung vertreten, Sachverständigenkosten seien nicht zu ersetzen, weil der Schadengutachter davon ausgegangen sei, dass das Fahrzeug keinen Vorschaden aufweise. Da der Schadengutachter darauf nicht hingewiesen worden sei, stelle sich das Gutachten als unbrauchbar dar.
Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 24.08.2017 (Bd. I Bl. 94 f. d. A.) sowie durch mündliche Erläuterung des schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. G. H. (Bd. I Bl. 176 ff. d. A.). ...