Leitsatz (amtlich)
1. Ein selbständiger Versicherungsvermittler kann auf eine Tätigkeit im Innendienst eines Versicherers verwiesen werden.
2. Die wirtschaftliche Vergleichsbetrachtung muss bei wechselnder Erwerbsbiografie der versicherten Person längere Zeiträume vor der behaupteten Berufsunfähigkeit zugrunde legen.
3. Der Vergleich der Einkommen kann - bei unterschiedlichen Werbungskosten - weder eine reine Brutto- noch eine reine Nettobetrachtung zugrunde legen.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 23.01.2006; Aktenzeichen 14 O 368/04) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das am 22.12.2005 verkündete und durch Beschluss vom 23.1.2006 berichtigte Urteil des LG Saarbrücken, Az. 14 O 368/04, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 31.095,75 EUR festgesetzt.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 1.5.1996 unter der Versicherungsschein-Nr. OOOO eine Risiko-Lebensversicherung mit Einschluss einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung sowie u.a. der Allgemeinen Bedingungen für die Lebensversicherung und der Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (Bl. 16 ff. d.A.). Für den Fall der Berufsunfähigkeit war eine monatliche Rente i.H.v. 1.000 DM mit dynamischer Anpassung vereinbart, als Ablauf der Versicherung der 1.5.2020 (Anlage zum Versicherungsschein, Bl. 22 d.A.).
Am 16.9.2000 erlitt der Kläger im Rahmen eines Sportunfalls am rechten Knie eine Ruptur des vorderen Kreuzbandes, eine Innenmeniskus-Hinterhorn-Läsion rechts sowie eine Außenmeniskus-Läsion rechts (Arztbericht des Klinikums N. vom 12.10.2000, Bl. 24 d.A.; kernspintomografischer Untersuchungsbefund vom 20.9.2000, Bl. 23 d.A.). Im Hinblick hierauf zahlte die Beklagte gemäß einer außervertraglichen Vereinbarung an den Kläger für die Monate April 2001 bis einschließlich Juni 2001 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung die vereinbarte monatliche Rente i.H.v. 1.198,50 DM (Bl. 25 d.A.). Weiterhin zahlte die Beklagte gemäß einer weiteren außervertraglichen Vereinbarung für die Monate Juli 2001 bis einschließlich Dezember 2003 eine monatliche Rente i.H.v. 612,79 EUR (Bl. 26 d.A.). Mit Schreiben vom 4.2.2004 (Bl. 27 d.A.) lehnte die Beklagte die Erbringung weiterer Leistungen aus der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit Hinweis auf § 12 Abs. 3 VVG ab, weil ausgehend von der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als selbständiger Versicherungskaufmann eine zumindest 50 %-ige Berufsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei.
Von Oktober 1997 bis Ende Mai 2000 war der Kläger als angestellter Versicherungsvertreter bei der R. Versicherung überwiegend im Außendienst tätig. Ausweislich seiner Einkommenssteuerbescheide (Bl. 141 ff. d.A.) erzielte er im Jahr 1998 einen Bruttoarbeitslohn von 80.766 DM, nach Abzug von Werbungskosten (25.258 DM) 55.508 DM, im Jahr 1999 einen Bruttoarbeitslohn von 120.563 DM, nach Abzug von Werbungskosten (24.548 DM) 96.015 DM, in den ersten 5 Monaten des Jahres 2000 43.836 DM, nach Abzug von Werbungskosten (9.538 DM) 34.298 DM. Ab dem 1.6.2000 bis zum Zeitpunkt des Unfallereignisses war er als selbständiger Ausschließlichkeitsvertreter für die LVM- Versicherung tätig und betreute überwiegend im Außendienst landwirtschaftliche Betriebe. Vertragsabschlüsse aus dieser Zeit resultierten zum Teil aus "Umdeckungen", also einem Wechsel von Kunden der R. Versicherung zur LVM-Versicherung. Nach dem Unfallereignis ging der Kläger seiner beruflichen Tätigkeit, zum Teil durch Umorganisation, weiter nach.
Der Kläger hat geltend gemacht, seit dem Sportunfall vom 16.9.2000 vollständig außer Stande zu sein, seinen Beruf weiter auszuüben. Er leide auch heute noch unter den zuletzt am 20.3.2003 und am 29.1.2004 von Dr. S. (Bl. 29/30, Bl. 31 d.A.) und am 8.4.2003 von Dr. M. (Bl. 32 d.A.) attestierten Verletzungen, bei denen es sich um einen nicht therapierbaren Dauerschaden handele. Bereits bei leichter körperlicher Betätigung des rechten Knies entstünden stark schmerzhafte Reizzustände des rechten Kniegelenks einhergehend mit starker Schwellneigung sowie intraarticulären Ergüssen. Dies hindere ihn daran, seine -wie im Einzelnen beschriebene- Tätigkeit weiter auszuüben, zumal eine weitere Umorganisation nicht möglich bzw. zumutbar sei. Hinzu komme, dass auf Grund von Zwangshaltungen auch das linke Bein/Kniegelenk geschädigt sowie Schmerzen und Parästhesien im Bereich der LWS aufgetreten seien. Eine Verweisung auf eine Angestelltentätigkeit bzw. eine solche im Innendienst komme weder von seinem Berufsbild noch von dem mit dem Beruf verbundenen sozialen Ansehen bzw. dem erzielten/erzielbaren Einkommen - so habe er in der Zeit vom 1.6.2000 bis zum 16.9...