Leitsatz (amtlich)
1. Wird der Stromverbrauch im Rahmen eines Energielieferungsvertrages wegen eines technischen Defektes des Zählers fehlerhaft gemessen und liegen die Voraussetzungen einer Schätzung anhand des Durchschnittsverbrauchs des der letzten fehlerfreier Ablesung vorhergehenden und des ihr nachfolgenden Ablesezeitraums oder auf Grund des vorherigen Verbrauchs (§ 21 Abs. 1 S. 2 AVBEltV) nicht vor, so ist der Verbrauch außerhalb des § 21 AVBEltV auf andere Weise zu schätzen.
2. Steht für die Schätzung keine korrekte Messung für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr als Grundlage zur Verfügung, so ist die Schätzung auf der Grundlage der verbrauchsrelevanten tatsächlichen Verhältnisse vorzunehmen. Diese hat jeweils derjenige Vertragspartner darzulegen und zu beweisen, für den sie günstig sind.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 30.10.2002; Aktenzeichen 6 O 466/97) |
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das am 30.10.2002 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (6 U 466/97) wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin ist seit Juli 1993 der Stromlieferant des Beklagten und nimmt diesen auf Zahlung von Stromkosten für das Anwesen in Anspruch (Bl. 18 d.A. sowie Übernahmeerklärung vom 7.7.1993 (Bl. 21 d.A.) und undatierter Versorgungsvertrag (Bl. 23 d.A.).
Der Beklagte betrieb in den zwischenzeitlich abgebrannten Räumen ein Architekturbüro. Bevor er die Räume übernahm, war in diesen eine Eisfabrik betrieben worden (Bl. 18 u. 58 d.A.).
Am 23.5.1996 wurde auf Veranlassung der Klägerin der Stromzähler in den streitgegenständlichen Räumen ausgetauscht und durch einen neuen, geeichten Zähler ersetzt (Bl. 59 u. 78 d.A.).
Mit Schreiben vom 14.11.1996 (Bl. 365 d.A.) teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass beim Zählerwechsel am 23.5.1996 ein Rücklauf des Strompfades L 3 des Dreileitermesssatzes festgestellt worden sei und daher ein Berechnungsfehler vorliege.
Mit Schreiben vom 10.3.1998 (eingegangen beim Beklagten am 13.3.1998) forderte die Klägerin den Beklagten vergeblich auf, bis spätestens zum 24.3.1998 an sie 63.725,87 DM zu zahlen (Bl. 79 d.A.).
Die Klägerin hat den Beklagten zunächst im Wege des Mahnverfahrens für die Zeit von Mai bis August 1996 auf einen Betrag i.H.v. 11.107,61 DM in Anspruch genommen (Bl. 2 d.A.). Unter dem 3.11.1997 ist über diese Hauptforderung ein Vollstreckungsbescheid des AG Saarbrücken (Az.: 6 B 4202/97) ergangen, der dem Beklagten unter dem 14.11.1997 zugestellt worden ist und gegen den der Beklagte mit am 26.11.1997 beim AG eingegangenem Schreiben Einspruch erhoben hat.
Die Klägerin hat im str. Verfahren erster Instanz beantragt, den Vollstreckungsbescheid vom 3.11.1997 aufrecht zu erhalten und – im Wege der Klageerweiterung (Bl. 77 d.A.) – den Beklagten zu verurteilen, an sie weitere 63.725,87 DM nebst 9 % Zinsen seit dem 1.4.1998 zu zahlen.
Das LG hat – nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen (Bl. 105 d.A.), (Bl. 106 d.A.), (Bl. 106 u. 368 d.A.), (Bl. 108 d.A.), (Bl. 108 d.A.), (Bl. 119 d.A.), (Bl. 221 d.A.) und (Bl. 222 d.A.) sowie durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen vom 15.10.1999 (Bl. 270 d.A.) nebst Ergänzungsgutachten vom 28.1.2000 (Bl. 296 d.A.) und vom 22.11.2001 (Bl. 403 d.A.) und mündlicher Erläuterung am 22.8.2001 (Bl. 369 d.A.) und am 24.4.2002 (Bl. 422 d.A.) – mit dem am 30.10.2002 verkündeten Urteil (Bl. 434 d.A.) den Vollstreckungsbescheid vom 3.11.1997 (Az.: 6 B 4202/97) insoweit aufrecht erhalten, als der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin einen Betrag von 10.028,43 DM (= 5.127,45 Euro) nebst 4 % Zinsen hieraus sowie 45 DM an Mahnkosten und 132,50 DM an bisherigen Kosten des Verfahrens zu zahlen. Im Übrigen hat das LG den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der Senat nimmt gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen dieses Urteils Bezug.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie beantragt, den Beklagten unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie weitere 10.860,84 Euro nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit bis zum 30.4.2000 und nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.5.2000 zu zahlen.
Die Klägerin behauptet, der von dem Beklagten in den Monaten Mai bis August 1996 verbrauchte Strom habe einen Wert von 11.107,61 DM gehabt. Anlässlich eines turnusgemäßen Zählerwechsels am 23.5.1996 habe der fachkundige, spezialisierte Elektromeister, der Zeuge festgestellt, dass zwei Kabel beim Blindstrom – und zwar Zugang und Abgang – vertauscht worden seien. Dadurch bedingt sei die Phase L 3 rückwärts gelaufen, wodurch der Blindstrom nicht gemessen worden und es zu einer Verminderung des gemessenen Verbrauchs beim Wirkstrom gekommen sei, da die Phasen L 1 und L 2 der Phase L 3 entgegen wirkten. Die zum turnusgemäßen Wechsel anstehenden neuen Messwandlerzähler für Wirkstrom und Blindstrom seien a...