Leitsatz (amtlich)
1. Bei einer trichterförmig erweiterten T-Einmündung der untergeordneten Straße erstreckt sich der geschützte Vorfahrtsbereich nicht auf den gesamten Einmündungstrichter, sondern nur auf die aus Sicht des Wartepflichtigen linke Fahrbahnhälfte der untergeordneten Straße einschließlich der dortigen trichterförmigen Erweiterung.
2. Der Vorfahrtberechtigte hat beim Abbiegen in die untergeordnete Straße grundsätzlich die Mitte der Trichterbreite rechts zu umfahren.
3. Der Wartepflichtige darf bis an die Grenze des Einmündungstrichters (Fluchtlinie der bevorrechtigten Straße) heranfahren, wenn er sich innerhalb der für ihn rechten Fahrbahnhälfte hält.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 1 O 302/15) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 17.03.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken (Aktenzeichen 1 O 302/15) wird zurückgewiesen.
2. Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens und den außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner 65 v. H. und die Beklagte zu 1 allein weitere 35 v. H. Die außergerichtlichen Kosten zweiter Instanz der Drittwiderbeklagten zu 1 und 2 trägt die Beklagte zu 1. Im Übrigen findet eine Kostenausgleichung nicht statt.
3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Im Rahmen von Klage und Widerklage streiten die Parteien über Ansprüche auf Grund eines Verkehrsunfalls am 26.03.2015 gegen 19.10 Uhr im nicht durch Verkehrszeichen geregelten Einmündungsbereich der Theresienstraße in die Kirchenstraße in S. Der Drittwiderbeklagte zu 1 befuhr mit dem im Unfallzeitpunkt bei der Drittwiderbeklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw Mercedes-Benz XXX XXX XXX der Klägerin mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XXXXX die Theresienstraße und beabsichtigte, an der in dieser Straße trichterförmig erweiterten Einmündung nach rechts in die Kirchenstraße abzubiegen. Auf der Kirchenstraße näherte sich von rechts die Beklagte zu 1 mit dem bei der seinerzeit als ... pp. Versicherung AG firmierenden Beklagten zu 2 haftpflichtversicherten Pkw BMW X1 mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XXX und bog nach links in die Theresienstraße ab. Hierbei kam es zum Zusammenstoß der beiden Pkw. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 2 vorgerichtlich unter Fristsetzung zum 26.05.2015 zum Ersatz von Reparaturkosten in Höhe von 7.293,85 EUR netto, Gutachterkosten in Höhe von 802 EUR netto, einer Wertminderung in Höhe von 1.200 EUR, Mietwagenkosten in Höhe von 628,60 EUR netto und einer Auslagenpauschale von 30 EUR, insgesamt 9.954,45 EUR, sowie außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 745,40 EUR auf. Die Beklagte zu 2 zahlte jeweils 1/3 auf die unstreitigen ersten vier Schadenspositionen und 6,60 EUR auf eine für berechtigt gehaltene Auslagenpauschale von 20 EUR, insgesamt also 3.281,67 EUR, sowie 347,60 EUR auf die Anwaltskosten.
Die Klägerin und die Drittwiderbeklagten haben die Auffassung vertreten, für den Drittwiderbeklagten zu 1 habe der Verkehrsunfall ein unabwendbares Ereignis dargestellt. Dazu haben sie behauptet, die Beklagte zu 1 habe beim Abbiegen in die Theresienstraße die Kurve geschnitten und sei gegen das stehende Fahrzeug der Klägerin gefahren. Die Klägerin hat Erstattung restlichen Schadens in Höhe von 6.672,78 EUR und restlicher vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 397,80 EUR begehrt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten zu 1 und 2 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 6.672,79 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2015 zuzüglich weitere außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 397,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.05.2015 zu zahlen.
Die Beklagten zu 1 und 2 haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, der Pkw der Klägerin sei im Kollisionszeitpunkt in Bewegung gewesen und habe sich in die Fahrbahn der Beklagten zu 1 hineinbewegt. Die Beklagte zu 1 habe die Kurve nicht geschnitten, vielmehr habe sich das Fahrzeug der Klägerin im Abbiegevorgang befunden und in die Fahrlinie des Beklagten-Pkw hineinbewegt.
Mit der Widerklage hat die Beklagte zu 1 zunächst unter Anrechnung eines Mithaftungsanteils von 1/3 offene Reparaturkosten in Höhe von 812,74 EUR, anteilige Gutachterkosten in Höhe von 713,21 EUR, anteiligen Nutzungsausfall in Höhe von 708 EUR, anteilige Wertminderung in Höhe von 666,67 EUR und eine anteilige Kostenpauschale von 16,67 EUR, insgesamt 2.917,29 EUR, geltend gemacht. Ferner hat die Beklagte zu 1 die Feststellung begehrt, dass die Klägerin und die Drittwiderbeklagten zu 1 und 2 verpflichtet seien, ihr einen durch die Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung entstandenen Höherstufungsschaden zu 2/3 auszugleichen. Schließlich hat die Beklagte zu 1 außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 1.821,41 EUR wegen der Tätigkeit gegenüber der Kläge...