Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Verkehrssicherungspflichten eines Hallenbadbetreibers hinsichtlich einer Wasserrutsche
Leitsatz (amtlich)
Der Betreiber einer Wasserrutsche ist in Erfüllung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht nicht gehalten, eine den Einstieg in die Rutsche regelnde Ampelanlage mit einer "intelligenten" Technik auszustatten, die die Zahl der Benutzer ständig abgleicht und ein Umschalten auf "grün" nur dann ermöglicht, wenn sich keine weiteren Personen in der Rutsche befinden.
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Urteil vom 29.09.2005; Aktenzeichen 3 O 414/04) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das am 29.9.2005 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken - 3 O 414/04 - wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die durch diese Entscheidung begründete Beschwer des Klägers beträgt 6.000 EUR.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
B. Die form- und fristgerecht eingelegte sowie ordnungsgemäß begründete Berufung des Klägers ist nach den §§ 511, 513, 517, 519 und 520 ZPO zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
Dem Kläger stehen wegen seines in der Röhrenrutsche am 19.9.2004 erlittenen Unfalls Ansprüche auf Ausgleich materieller und immaterieller Schäden weder auf deliktrechtlicher Grundlage (§§ 823, 253 Abs. 2 BGB) noch aus dem Gesichtspunkt der vertraglichen Haftung (§§ 282, 278 BGB) zu.
Eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten durch die Beklagte bei dem Betrieb der Wasserrutsche lässt sich selbst dann nicht feststellen, wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass er sich erst dann in die Rutsche begeben hat, als die Ampel für ihn "grün" zeigte. Auch bei Unterstellung eines derartigen Geschehensablaufes kann eine Haftung der Beklagten weder auf die generelle Gefährlichkeit einer solchen Anlage, der nicht durch ausreichende zumutbare Sicherheitsvorkehrungen entgegengewirkt wurde (I.), noch darauf gestützt werden, dass in der konkreten Situation die Anlage nicht ordnungsgemäß funktionierte oder die seitens der Beklagten getroffenen Sicherheitsvorkehrungen nicht eingehalten wurden (II.).
I. Die Beklagte war als Betreiberin des ≪Schwimmbadbezeichnung≫ unzweifelhaft verpflichtet, ihre Badegäste vor Gefahren zu schützen, denen diese beim Besuch des Hallenbades und bei der Benutzung der Einrichtung des Bades ausgesetzt sein können. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Gefahrenlage schafft, verpflichtet ist, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (ständige Rechtsprechung des BGH; BGH v. 25.2.1993 - III ZR 9/92, BGHZ 121, 367 = MDR 1994, 206; BGH v. 17.12.1992 - III ZR 99/90, MDR 1993, 424 = VersR 1993, 586; BGH v. 13.6.1996 - III ZR 40/95, MDR 1996, 1016 = VersR 1997, 109; BGH v. 3.2.2004 - VI ZR 95/03, BGHReport 2004, 736 = MDR 2004, 748 = VersR 2004, 657).
1. Auf der Grundlage dieser allgemeinen Maßstäbe bestimmt sich auch das Maß der Verkehrssicherungspflicht für Schwimmbäder. Die Anlagen einer Badeanstalt müssen so beschaffen sein, dass die Benutzer vor vermeidbaren Gefahren bewahrt bleiben. Das bedeutet, dass die Badegäste vor den Gefahren zu schützen sind, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen, von ihnen nicht vorhersehbar und nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Dem Betreiber eines Schwimmbades obliegt neben seiner Verpflichtung zur Erfüllung der von den Besuchern abgeschlossenen Benutzungsverträge auch die deliktische (Garanten-)Pflicht, dafür zu sorgen, dass keiner der Besucher beim Badebetrieb durch solche Risiken zu schaden kommt (BGH v. 21.3.2000 - VI ZR 158/99, MDR 2000, 884 = VersR 2000, 984). Für den Umfang der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen ist zudem in Betracht zu ziehen, dass insb. Kinder und Jugendliche dazu neigen, Vorschriften und Anordnungen nicht zu beachten und sich unbesonnen zu verhalten; daher kann die Verkehrssicherungspflicht auch die Vorbeugung gegenüber solchem missbräuchlichen Verhalten umfassen (BGH v. 29.1.1980 - VI ZR 11/79, MDR 1980, 479 = VersR 1980, 863; BGH VersR 1962, 825; BGH v. 3.2.2004 - VI ZR 95/03, BGHReport 2004, 736 = MDR 2004, 748 = VersR 2004, 657).
Der Betrieb einer Wasserrutsche bringt vielfältige Gefahren mit sich. Neben Stürzen aus nach oben offenen Röhrenrutschen (OLG München VersR 1974, 200) kommt es im Bereich der Wasserrutschen immer wieder dadurch zu Unfällen, dass Badegäste die Rutsche in falscher Körperlage benutzen (OLG Hamm VersR 1979, 643; OLG Karlsruhe v. 22.5.1992 - 14 U 83/89, VersR 1993, 709; OLG Saarbrücken v. 5.12.1995 - 4 U 673/93-130, VersR 1997, 377) oder aber in der Rutsche selbst oder am Rutschenauslauf mit anderen Benutzern zusammenstoßen. Ursächlich hierfür können unterschiedliche Rutschtechniken und die damit einhergehenden voneinander abweichenden Rutschgeschwindigkeiten sein. Begünstigt wer...