Leitsatz (amtlich)
1. Das Gericht handelt verfahrensfehlerhaft, wenn es dem Sachverständigen in einer Arzthaftungssache gestattet, sein Gutachten ohne Berücksichtigung der tatsächlich vorhandenen Krankenunterlagen zu erstellen.
2. § 142 ZPO setzt das Gericht in den Stand, die Vorlage von Krankenunterlagen anzuordnen, die bei einem außerhalb des Rechtsstreits stehenden Arzt oder einer solchen Klinik geführt werden.
Normenkette
ZPO §§ 142, 529, 538
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Aktenzeichen 16 O 184/01) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 5.11.2002 verkündete Urteil des LG in Saarbrücken – 16 O 184/01 – einschl. des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufgehoben und die Sache an das Gericht des ersten Gerichtszuges zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens vorbehalten bleibt.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Der Wert der durch diese Entscheidung begründeten Beschwer der Parteien wird auf 52.129,19 Euro festgesetzt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Wegen anhaltender Schmerzen im Bereich des Oberbauches wurde der Kläger am 25.4.1999 im C.-Krankenhaus L., dessen Träger die Beklagte ist, stationär aufgenommen. Mit Hilfe einer Ultraschalluntersuchung des Bauchraums konnten im Bereich der Gallenblase mehrere kleine Steine festgestellt werden. Aufgrund dieses Befunds wurde dem Kläger am 27.4.1999 die Gallenblase im Wege einer laparoskopischen Cholezystektomie entfernt. Da sich der postoperative Verlauf komplikationsfrei gestaltete, wurde der Kläger am 1.5.1999 aus der stationären Behandlung entlassen.
Am 5.5.1999 begab sich der Kläger, der über schwere Schmerzen im Oberbauch klagte, abermals in die stationäre Behandlung des C.-Krankenhauses L. Eine körperliche Untersuchung des Klägers, eine Röntgenübersichtsaufnahme und ein Ultraschall des Abdomens sowie die erhobenen Laborwerte begründeten bereits am Aufnahmetag die Diagnose einer akuten Pankreatitis. Der Kläger wurde nunmehr intensivmedizinisch mit Nahrungskarenz, Infusionstherapie und Schmerztherapie sowie mit Medikamenten behandelt, welche die Sekretion der Bauchspeicheldrüse hemmen und den Gallenfluss positiv beeinflussen. Eine am 6.5.1999 vorgenommene röntgenologische Darstellung des Gallenganges blieb ohne Ergebnis. Schließlich erfolgte am 7.5.1999 eine ERCP (Endoskopische retrograde Darstellung der Gallengänge) und eine Computertomographie.
Da ausgedehnte Nekrosen im Pankreaskopf und Korpusbereich auf eine foudroyant verlaufende Pankreatitis hindeuteten, wurde der Kläger am 7.5.1999 in die Universitätsklinik H. verlegt, wo eine Laparotomie mit Lavage (Spülung) des Bauchraums stattfand und verschiedene Drainagen angelegt wurden. Die Nekrosen wurden entfernt und der Bauchraum am 10.5.1999 verschlossen. Am 26.6.1999 wurde der Kläger zur Rehabilitation entlassen.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei im C.-Krankenhaus L. fehlerhaft behandelt worden. Im Anschluss an die erneute stationäre Aufnahme vom 5.5.1999 sei die akute Pankreatitis verspätet erkannt und zögerlich behandelt worden. Deshalb sei ihm in der Universitätsklinik H. im Rahmen einer Notoperation fast die gesamte Bauchspeicheldrüse bis auf einen unbedeutenden Rest entfernt worden. Sein materieller Schaden belaufe sich auf insgesamt 4.562,30 DM. Angesichts Dauer und Schäden und der noch zu befürchtenden körperlichen Folgen sei ein Schmerzensgeld i.H.v. mindestens 100.000 DM angemessen. Überdies sei als möglicher Zukunftsschaden eine Diabetes mellitus zu befürchten.
Der Kläger hat beantragt (Bl. 134, 129, 2 d.A.),
1. den Beklagten zu verurteilen an ihn einen Betrag i.H.v. 4.562,30 DM nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung zu zahlen,
2. den Beklagten zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung zu bezahlen nebst 4 % Zinsen ab Klagezustellung,
3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schäden, soweit sie nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehen, aus dem Schadenereignis vom 5.5.1999 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Der Beklagte hat beantragt (Bl. 134, 129 f., 47 d.A.), die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat einen Behandlungsfehler in Abrede gestellt und sich darauf berufen, der Kläger sei stets situationsgerecht entspr. dem Verlaufsbild behandelt worden.
Das LG hat die Klage durch das angefochtene Urteil (Bl. 143–154 d.A.), auf dessen tatsächliche Feststellung nach § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, nach Einholung eines Sachverständigengutachtens (Bl. 85–98 d.A.) und mündlicher Anhörung des Sachverständigen (Bl. 130–134 d.A.) abgewiesen. Den behandelnden Ärzten kann nach Ansicht der Erstrichterin ein fehlerhaftes Verhalten nicht zur Last gelegt werden. Gegen das am 18.11.2002 zugestellte (Bl. 162 d.A.) Urteil richtet sich die am 5.12.2002 eingegangene (Bl. 169 d.A.) und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.2.2003 (Bl. 1...