Leitsatz (amtlich)

a) Die Wissenszurechnung von Mitarbeitern juristischer Personen unterliegt einer wertenden Betrachtung. Dabei ist auf das Wissen der nach außen in Erscheinung tretenden Funktionseinheit (Behörde, Amt) abzustellen. Es gibt keine Pflicht zu einem ämterübergreifenden Informationsaustausch.

b) Die Untere Bauaufsichtsbehörde ist keine Polizeibehörde im Sinne des saarländischen Polizeigesetzes.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Beschluss vom 01.07.2004; Aktenzeichen 4 O 451/03)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 1.7.2004 (4 O 451/03) abgeändert und die Klage zur Hälfte abgewiesen.

Im Übrigen verbleibt es bei der Klageabweisung als derzeit unbegründet.

II. Die Berufung des Klägers und die weitergehende Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 1.7.2004 (4 O 451/03) werden zurückgewiesen.

III. Die Kosten beider Rechtszüge werden dem Kläger auferlegt.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 251.650,17 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz zusteht, weil die Beklagte dem Kläger eine rechtswidrige Baugenehmigung erteilt hat.

Im Jahr 1955 veräußerte die Beklagte ein in ihrem Eigentum stehendes Grundstück in der H.Straße an die Firma A. S.A., die Rechtsvorgängerin der Firma S. AG. Die Firma A. S.A beabsichtigte, auf diesem Grundstück einen Gasometer zu betreiben. Am 16.2.1957 erteilte die Beklagte der Firma A. S.A. die gewerberechtliche Genehmigung gem. § 16 GewO für den Betrieb eines Gasometers von 82.000 m3 Inhalt. Diese Genehmigung wurde mit der Auflage verbunden, dass rund um den Gasbehälter ein Abstand zu betriebsfremden Gebäuden von 25 m eingehalten wird. Der Abstand zu Lagern oder Gebäuden, in denen feuergefährliche Stoffe lagern, muss 50 m betragen. Die Betriebesgenehmigung nimmt hinsichtlich der Sicherheitsabstände Bezug auf die Richtlinien des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) für die Aufstellung und den Betrieb von Niederdruckbehältern. Diese Richtlinien gelten seither in unveränderter Form. Aufgrund der Genehmigung errichtete die A. S.A. 1960 einen Gasbehälter, in dem sie Koksgas zwischenlagert und der seitdem in Betrieb ist.

Der Kläger betreibt bundesweit Fachmärkte für Autoteile und Autozubehör mit angeschlossenen Werkstätten. Mit notariellem Kaufvertrag vom 25.10.1999 kaufte der Kläger von der Beklagten und der S. Werke Saarbrücken AG zwei Grundstücke, um dort ebenfalls einen Autofachmarkt zu errichten. Diese Grundstücke grenzen an das oben genannte Grundstück der S. AG. Der Gasometer befindet sich in einem Abstand von 18 m zur Grundstücksgrenze. In § 2b des Kaufvertrages haben die Parteien festgehalten, dass der Kläger beabsichtigt, auf den betreffenden Grundstücken einen Autofachmarkt mit angegliederter Werkstatt zu errichten. In § 3 Nr. 3 des Kaufvertrages wird die Gewährleistung für Sachmängel eingeschränkt. Die Bestimmung lautet wie folgt:

"Der Veräußerer und die Stadt übernehmen keine Haftung für die Freiheit des verkauften Grundstücks von offenen und verborgenen Sachmängeln, die Beschaffenheit des Baugrundes, das Flächenmaß sowie die Beschaffenheit des Vertragsgegenstandes allgemein."

Wegen der Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag vom 25.10.1999, UR-Nr. K 1989/1999, verhandelt vor dem Notar F.K., Bl. 39 ff. d.A., Bezug genommen.

Nach dem Erwerb der Grundstücke durch den Kläger wurde der Architekt W.S. mit der Planung des zu errichtenden Autofachmarktes betraut. Zu seinen Aufgaben gehörte insb. die Erstellung eines genehmigungsfähigen Bauplanes. Vor Einreichung der Genehmigungsunterlagen fand am 3.2.2000 bei der Bauaufsichtsbehörde der Beklagten ein Gespräch statt. An diesem Gespräch nahmen neben dem Architekten S. auch zwei Mitarbeiter der Unteren Bauaufsichtsbehörde, die Herren B. und M., teil. Die Einzelheiten des Gesprächsinhaltes sind zwischen den Parteien streitig. Die Bauaufsichtsbehörde beteiligte im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens u.a. auch das damalige Landsamt für Arbeitssicherheit, Immissionsschutz und Gesundheit des Saarlandes (LAIG) im Hinblick auf dessen Zuständigkeit als Fachbehörde nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz. Das LAIG erteilte der Beklagten keine Auflagen oder Hinweise im Hinblick auf den einzuhaltenden Sicherheitsabstand des Gebäudes zum Gasometer. Mit Bauschein vom 24.5.2000 erteilte die Beklagte dem Kläger antragsgemäß die Baugenehmigung für die Errichtung eines Autofachmarktes. Bezüglich des Schraubgasbehälters enthielt der Bescheid keinerlei Auflagen. Der Kläger errichtete daraufhin in den drei Folgemonaten den genehmigten Autofachmarkt in einer E...

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