Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu Inhalt und Umfang nachvertraglicher Leistungstreuepflichten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die zeitliche Dauer nachvertraglicher Leistungstreuepflichten ist begrenzt. Eine Schadensersatzansprüche begründende Nebenpflicht kann im Regelfall nicht für die gesamte Dauer des Bestandes der durch die schuldrechtliche Verpflichtung geschaffenen Rechtsposition anerkannt werden.

2. Sieht die Untere Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren von einer gem. § 73 Abs. 2 LBO gebotenen Beteiligung der Nachbarschaft ab, so haftet die Anstellungskörperschaft aus dem rechtlichen Gesichtspunkt der Amtshaftung für die bei rechtzeitiger Beteiligung des Nachbarn vermiedenen Schäden.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 26.01.2004; Aktenzeichen 4 O 255/01)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 26.1.2004 - 4 O 255/01 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschl. der Kosten der Streithilfe.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Zwangsvollstreckung i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 39.699,80 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die beklagte Stadt auf Zahlung von Schadensersatz wegen des Betriebsausfalls eines Gasometers in Anspruch.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in der ...-straße und betreibt dort einen Schraubgasbehälter (Gasometer) mit einem Fassungsvermögen von rund 82.000 Kubikmetern Gas. Das Grundstück wurde eigens zum Zwecke der Errichtung dieses Gasometers im Jahr 1955 von der Beklagten an die A. S. A., die Rechtsvorgängerin der Klägerin, veräußert. Für den Betrieb des Gasometers erteilte die Beklagte die Betriebsauflage, einen Sicherheitsabstand von 25 Metern zu betriebsfremden Grundstücken zu wahren, der sieben Meter über die Grenze des Nachbargrundstücks hinausgreift (GA I Bl. 14 ff.). Die Lage des Gasometers wurde im Einvernehmen mit der Beklagten festgelegt. Darüber hinaus sollte innerhalb der Zone eine Beschilderung errichtet werden, die ein Verbot des Rauchens aussprechen und auf die Gefahren des Umgangs mit offenem Feuer hinweisen sollte.

Damit der Sicherheitsabstand gewährleistet werden konnte, bemühte sich die Beklagte um den Erwerb der Nachbargrundstücke. Auf einem dieser Grundstücke hatte die Beklagte ein - zwischenzeitlich wieder abgerissenes - Betriebsgebäude der S. errichtet.

Ab Mai 2000 wurde der Gasometer wegen Sanierungsarbeiten nicht betrieben.

Mit notarieller Urkunde des Notars K. aus W. (Urkundenrolle; GA II Bl. 280 ff.) erwarb der Streithelfer der Klägerin am 25.10.1999 das Nachbargrundstück von der Beklagten und der S. AG. Er erhielt am 24.5.2000 einen Bauschein, in dem ihm der Bau eines Automarktes in einem Abstand von nur drei Metern zur Grenze des Grundstücks ohne besondere Sicherheitsvorkehrungen genehmigt wurde. Am 30.7.2000 begann der Streithelfer mit den Erdarbeiten, an die sich Ende August 2000 die Arbeiten an den aufstehenden Gebäudeteilen anschlossen. Am 1.9.2000 wandte sich die Klägerin schriftlich an die Beklagte, um Bedenken wegen des nicht eingehaltenen Sicherheitsabstandes anzumelden. Auf Veranlassung des Landesamtes für Arbeitssicherheit, Immissionsschutz und Gesundheit (im Folgenden: Landesamt) fand am 27.9.2000 ein Ortstermin statt, als dessen Ergebnis die Klägerin Widerspruch gegen die Baugenehmigung einlegte. Am 2.10.2000 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass dem Widerspruch nicht abgeholfen werden würde. Daraufhin beauftragte die Klägerin die Firma S1 mit der Einholung eines Gutachtens zur Frage, welches Gefährdungspotential vom Betrieb eines Automarktes für den Gasometer ausgehe und welche notwendigen Abwehrmaßnahmen zu ergreifen seien. Das Gutachten lag am 15.11.2000 vor; es gelangte zu dem Ergebnis, dass die Baumaßnahme die brandschutztechnischen Anforderungen nicht erfülle. Hierauf beantragte die Klägerin am gleichen Tag bei dem VG, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Erteilung der Baugenehmigung anzuordnen. Der Antrag wurde am 18.12.2000 antragsgemäß beschieden (GA I Bl. 77 ff.).

Die Klägerin beabsichtigte, den Gasometer ab dem 4.12.2000 erneut zu betreiben. Im Bescheid vom 28.11.2000 untersagte das Landesamt den Neubetrieb. Nach erneuter Antragstellung vom 20.12.2000 erteilte das Landesamt am 16.1.2000 die erforderliche Genehmigung. Dennoch konnte der Gasometer letztlich erst am 26.1.2001 wieder befüllt werden.

Am 22.1.2001 erließ die Beklagte einen Nachtrag zum Bauschein, der zusätzliche brandschutztechnische Maßnahmen am Gebäude des Streithelfers anordnete (GA II Bl. 277).

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage den Ausfallschaden, der ihr dadurch entsta...

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