Leitsatz (amtlich)

1. Die Versicherungsfähigkeit wegen selbständiger freiberuflicher Tätigkeit setzt voraus, dass die versicherte Person ihr bisheriges berufliches Wirken "nachhaltig" und auf Wiederholungsabsicht angelegt fortsetzt.

2. Von einem anzeigepflichtigen Berufswechsel kann nicht gesprochen werden, wenn die versicherte Person ihre bisherige Tätigkeit erweitert.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 07.04.2004; Aktenzeichen 12 O 239/03)

 

Tenor

1. Dem Kläger wird gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

2. Die Berufung des Klägers gegen das am 7.4.2004 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 12 O 239/03 - wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

5. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 26.188,63 EUR festgesetzt.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Krankentagegeld in Anspruch und begehrt weiterhin die Feststellung, dass er zur Rückzahlung der bereits i.H.v. 7.825,82 EUR erbrachten Versicherungsleistungen nicht verpflichtet sei.

Der Kläger unterhielt seit 1.5.1991 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten und bei der Beklagten eine Krankentagegeldversicherung nach dem Tarif KT 43 (Versicherungsschein Nr. OOOOO; Bl. 16, 118 d.A.). Nach diesem Tarif sind versicherungsfähig alle gesunden Personen, die in einem ständigen Dienst- oder Arbeitsverhältnis gegen Entgelt stehen oder ihr Einkommen aus selbständiger Tätigkeit beziehen. Dem Versicherungsvertrag lagen - u.a. - die MB/KT 78 (Bl. 17 ff. d.A.) zugrunde. Deren § 9 Abs. 5 lautet: "Jeder Berufswechsel der versicherten Person ist unverzüglich anzuzeigen." Ferner heißt es in § 10 Abs. 2 der Bedingungen: "Wird eine der in § 9 Abs. 5 und 6 genannten Obliegenheiten verletzt, so ist der Versicherer nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 VVG von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn er von seinem Kündigungsrecht innerhalb eines Monats nach dem Bekanntwerden Gebrauch macht."

Bei Abschluss des Versicherungsvertrags hatte der Kläger ein Gewerbe des Lebensmittelhandels angemeldet. Während er nach seinem ursprünglichen Vortrag in erster Instanz in diesem Lebensmittelgeschäft bis zu dessen rückwirkender gewerbepolizeilicher Abmeldung am 7.1.2002 zum 31.12.2001 tätig gewesen sein will, hat er nach seinen späteren Angaben ab Mitte 1999 - auch - als Versicherungsvermittler gearbeitet. Nach Angaben der V. Versicherung Aktiengesellschaft war der Kläger vom 1.11.1998 bis 30.4.1999 als nebenberuflicher, vom 1.5.1999 bis 31.8.2000 als hauptberuflicher und, weil er seine Ausbildung zum Versicherungsfachwirt nicht abschloss, seit dem 1.11.2000 wieder als nebenberuflicher Agenturpartner für sie tätig. Folgt man seinem ersten Vortrag in zweiter Instanz, so übte der Kläger zum 2.1.2000 einen Doppelberuf aus, nach seinen Angaben in seiner Anhörung arbeitete er indessen nur bis Mai 1999 in seinem Lebensmittelgeschäft und war von da an - ganztags - als Versicherungsvermittler unterwegs. In einem ihm nicht nachgelassenen Schriftsatz nach der letzten mündlichen Verhandlung hat er sich dahin korrigiert, er habe ab Januar 2001 die Führung des Lebensmittelgeschäfts von seiner Tochter wieder übernommen und im Jahr 2001 nur in sehr geringem Unfang - sein Gewinn im Jahr 2001 soll rund 2350 EUR betragen haben - als Agent gearbeitet.

In der Zeit vom 2.1.2002 bis 28.1.2003 war der Kläger arbeitsunfähig krank geschrieben. Für den Zeitraum 28.2.2002 bis 13.6.2002 leistete die Beklagte Krankentagegeld in der vertraglich vereinbarten Höhe von 150DM (= 76,79 EUR)/Kalendertag (insgesamt: 8.129,14 EUR). Am 2.8.2002 erhielt die Beklagte auf Grund einer routinemäßig gehaltenen Abfrage die Mitteilung, dass der Kläger sein Lebensmittelgewerbe zum 31.12.2001 abgemeldet hat.

Der Kläger hat behauptet, er habe der Beklagten mit Schreiben vom 30.7.1999 (Bl. 74 d.A.) angezeigt, dass er ab dem 2.7.1999 zusätzlich zu seinem Geschäft ein Gewerbe als Handelsvertreter angemeldet habe.

Das LG hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung von Zeugen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte gem. §§ 9 Abs. 5, 10 Abs. 2 MB/KT 78, § 6 Abs. 1 VVG wegen Verletzung der Obliegenheit der Anzeige eines Berufswechsels von der Verpflichtung zur Leistung frei geworden sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe nämlich nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger seinen Berufswechsel der Beklagten unverzüglich angezeigt habe. Die Anzeigeobliegenheitsverletzung berühre auch die Interessen der Beklagten. Denn diese habe von dem Berufswechsel des Klägers erst nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit erfahren und daher dessen Arbeitsunfähigkeit nicht mehr unter dem Aspekt der Handelsvertretertätigkeit prüfen können.

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